Heute ist der Verfassungsschutzausschuss zusammengetreten. Die Tagesordnung war dünn: Der wichtigste Antrag kam von der Union. Sie will die Rechte des Verfassungsschutzes ausweiten.

Bislang ist es so: Der Verfassungsschutz überwacht eigentlich keine Einzelpersonen, sondern Bestrebungen von mehreren Personen, die Gewalt ausüben und unsere Ordnung beseitigen wollen. So steht es im Gesetz. Eigentlich. Ausnahme: Potentielle Einzeltäter wie Anis Amri, von denen eine terroristische Gefahr ausgeht, dürfen auch jetzt schon unter die Lupe genommen werden.

Die CDU wollte dieses Ausnahmerechte auch auf Personen ausweiten, von denen explizit keine Gewalt und keine direkte Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgeht ausweiten. Selbst der Senat, der von diesem Antrag profitiert hätte, hat sich gegen diesen Antrag ausgesprochen.

Auch ich habe dagegen gestimmt. Die FDP hat sich enthalten. Mein wichtigster Beweggrund: Die Ostberliner haben die Zeit noch zu gut in Erinnerung, in der der staatliche Inlandsgeheimdienst alias Stasi machen konnte, was er wollte.

Danach ging es um die Haushaltsberatungen, die so gut wie abgeschlossen sind. Die Volksfrontparteien haben auf den letzten Drücker die Zahl der neuen Stellen beim Landesamt für Verfassungsschutz halbiert. 10 statt 20 neue Mitarbeiter. Das ist ein kleiner Erfolg für uns, denn: Nur die AfD hatte in der entscheidenden Sitzung am 11. Oktober das Aufstocken des Personaltableaus kritisiert:

Die AfD-Fraktion will den Verfassungsschutz nicht abschaffen, jedoch den Stellenaufwuchs verhindern, weil sie eine Ausweitung der Macht des Verfassungsschutzes kritisch sieht.

Keine Behörde ist in den letzten Jahren so stark gewachsen wie das Landesamt für Verfassungsschutz. Insofern kann ich die Argumentation von CDU und FDP, die das Amt “geschwächt” sehen, nicht nachvollziehen. Schließlich wächst es um 10 weitere Personen an.

AfD-Werbebild

Der geschätzte Kollege Stephan Lenz von der CDU sagte wörtlich über den Kampf gegen den Terrorismus: “Der Staat soll alles tun, was er kann.” Diese Aussage ist bedenklich. Was meint er wohl damit? Wirklich alles? Schimmern da totalitäre Phantasien durch?

Ich hätte da einige Vorschläge: Der Staat – und hier wären diverse Regierungen mit CDU-Beteiligung gefragt – könnte die Grenzen sichern. Er könnte die Anreize für Islamisten, nach Deutschland zu kommen und hier Anschläge zu organisieren, verringern. Er könnte die ganzen Gefährder dahin abschieben, wo der Pfeffer wächst. Macht er aber nicht. Alles, was der CDU einfällt, ist die Ausweitung des Überwachungsstaates.

Weil das zu polemisch rübergekommen wäre, habe ich mir diese Bemerkungen erspart. Aber das ist der Kern, um den es geht: Alle anderen Parteien wollen als Reaktion auf den islamistischen Terror mehr Polizei, mehr Überwachung, mehr Poller. Wir wollen einfach weniger Islamisten – und nichts von dem Rest.

Screenshot der ZDF-Dokumentation

Am Ende befragte ich Bernd Palenda, des Chef des Verfassungsschutzes, zu dem hervorragenden Film Die Akte Anis Amri, der am Vortag im ZDF gelaufen war. Darin wird über ein Treffen im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum in Berlin am 2. November berichtet. Angeblich habe diese Runde, an der auch ein Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes teilgenommen habe, festgestellt, dass Amri ungefährlich sei. Der Verfassungsschutz sei beauftragt worden, ihn nochmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wörtlich heißt es: “Der Verfassungsschutz soll den marokkanischen Hinweisen nachgehen. Ob er das getan hat, ist mehr als fraglich.” Ich habe den geschätzten Herrn Palenda gefragt, ob er persönlich bei diesem Treffen gewesen sei (“Nein”) und was seine Behörde danach unternommen habe. Er antwortete, ihm sei von einem solchen Beschluss nichts bekannt.

Videoüberwachung

Last, but not least: Ich habe eine Anfrage an den Senat gestellt, die sich mit Gesichtserkennungssoftware befasst. Offenbar sieht die Behörde kein Problem darin, diese Technik künftig bei ihrer Arbeit einzusetzen. Ich sehe das kritisch. Unter dem Deckmantel der Digitalisierung entsteht neues System der Massenüberwachung. Die Lehre aus den Snowden-Enthüllungen müsste jedoch lauten: Elektronische Überwachungsmaßnahmen müssen auf ein Minimum reduziert werden. Anlasslose digitale Massenüberwachung ist der falsche Weg und führt in einen neuen Totalitarismus.

Der Nachrichtendienst golem.de hat die Anfrage zum Anlass für einen längeren Artikel genommen.