Der Verfassungsschutz hat einen Bericht über salafistische Szene in Berlin vorgelegt. Darüber wird in mehreren Medien bereits ausführlich berichtet. Insbesondere über die neue Zahl von 850 geschätzten Salafisten in der Hauptstadt, von denen 380 als gewaltbereit gelten.

Die wichtigsten Schwachpunkte: Die wahre Herkunft der Salafisten wird verschleiert. Die Zahl der Flüchtlinge in der Szene wird kleingerechnet.

Insgesamt zeigt die Studie großen Handlungsbedarf. Berlin muss mehr abschieben. Sozialklimbim alias Präventionsarbeit ist keine Lösung. Höchstens eine zusätzliche Unterstützung.

Die Ergebnisse im einzelnen:

Untersucht werden unter anderem die Herkunft dieser Personen, ihre bevorzugten Stadtteile, welche Moscheen sie besuchen und so weiter. Manche Erkenntnisse sind eher banal. So ist diese Szene überwiegend männlich geprägt. (Überraschung, Überraschung). Bevorzugter Wohnort ist oft Kreuzkölln oder Gesundbrunnen. (Wer hätte das gedacht?)

Interessant ist die Vorstellung der vier Moscheen, die von Salafisten bevorzugt aufgesucht werden. Darunter befinden sich die Al-Nur-Moschee und die zwischenzeitlich geschlossene Fussilet-Moschee. Letztere wurde von Anis Amri besucht.

Schwach ist die Aufschlüsselung nach Nationalitäten. Anfangs wird einmal die Zahl aller Salafisten aufgeschlüsselt: 49 Prozent Ausländer, 51 Prozent Deutsche. Von den Deutschen sind aber wieder 35 Prozent Doppelstaatler (oftmals Türken oder Libanesen). Und selbst diese Zahl erscheint mir etwa unglaubwürdig. Es gibt in Berlin keine 180 Kevins oder Sebastians, die sich selbst als Konvertiten radikalisiert haben und nun in den Heiligen Krieg ziehen wollen. Solche Typen mag es geben, sie sind aber Paradiesvögel in dieser Szene.

Die aussagekräftigere Information über einen Migrationshintergrund bleibt die Studie schuldig. Später wird es noch schwieriger: Da wird nicht mehr nach Deutschen mit und ohne zweiten Pass unterschieden, sondern nur zwischen Deutschen und Ausländern. Ohne Berücksichtigung der Doppelstaatler. Und ohne Berücksichtigung eines eventuellen Migrationshintergrunds. So auf Seite 23, wo die Zahl der in Dschihad-Gebiete ausgereisten Salafisten untersucht wird (61 “Deutsche”, 66 Ausländer).

Ich vermute: Uns soll Sand in die Augen gestreut werden. Die ganze terroristische Bedrohung soll als Problem identifiziert werden, das zunehmend “home grown” sei. So wie Thomas de Maizière, der gesagt hat, die islamistischen Terroristen seien “unsere Töchter und Söhne”. Also meine nicht.

An anderer Stelle wird die Zahl der Salafisten unter den Flüchtlingen mit 27 als gering angegeben. (Hauptherkunftsland übrigens: Syrien.) Auch das ist eine einseitige Interpretation, denn berücksichtigt wird nur, wer nach 2014 als “Flüchtling” nach Deutschland kam. Was ist denn mit den anderen Salafisten, die vor 2014 als “Flüchtling” nach Deutschland gekommen sind? Die gelten jetzt als Einheimische? Really?

Der Terrorist von Manchester war der Sohn eines libyschen Einwanderers, der vor Jahrzehnten als Asylbewerber nach England gekommen ist. Seine Tat zeigt, dass eine längere Aufenthaltsdauer jemanden noch nicht automatisch zum Engländer macht.

Ich werde heute den Verfassungsschutzchef im Ausschuss dazu befragen.

Politisch ist für uns klar: Berlin muss mehr abschieben. Die Landesregierung muss nach mehr Möglichkeiten suchen, Leute loszuwerden, die sich hier auch auf lange Sicht nicht integrieren lassen. Auch im Interesse der “normalen” Moslems, die teilweise seit Jahrzehnten bei uns leben, ohne sich zu radikalisieren. Die Studie zeigt trotz ihrer Unzulänglichkeiten Defizite in der Arbeit des Senats auf, der nicht genug tut, um dieser problematischen Szene Herr zu wenden.

Aktualisierung (13.45 Uhr): Auf meine Nachfrage hin hat der Chef des Berliner Verfassungsschutzes Bernd Palenda erklärt, eine Erfassung des Migrationshintergrundes (ergänzend zur Information über die Staatsbürgerschaft) sei nicht vorgesehen gewesen. Ein hartes Entscheidungskriterium sei nunmal die Nationalität. Punkt. Ich habe die (frühere) Definition der Polizei für den Begriff “Migrationshintergrund” verlesen. Ich werde auch in Zukunft darauf pochen, dass diese Informationen in Studien wie diese einfließen. Die Berliner haben ein Interesse und auch das recht darauf, diese Fakten zu erfahren.

Außerdem haben wir heute von Innensenator Andreas Geisel erfahren, dass unter gut 1.600 im vergangenen Jahr aus Berlin abgeschobenen Personen sieben Gefährder waren. Der letzte Bericht im Tagesspiegel (9.1.18) sprach von fünf Gefährdern. In diesem Zeitungsartikel war die Rede von insgesamt 80 Gefährdern in Berlin. Staatssekretär Torsten Akmann hat sich etwas ungenauer (“hohe zweistellige Zahl”) ausgedrückt, wobei die Hälfte Deutsche sei. Da frage ich mich: Wieso wird die andere Hälfte nicht konsequent abgeschoben? Das wäre ja schon mal ein Anfang.