Das Grundgesetz läßt keinen Interpretationsspielraum. In Deutschland herrscht Pressefreiheit. Das heißt, dass der Staat nicht das Recht hat Medien zu regulieren, zu zensieren oder gar in toto zu verbieten. Klar, es gibt Ausnahmen. Und wenn jemand in seiner Zeitung oder über seinen Radiosender über das Bombenbauen informiert und/oder dazu aufruft terroristische Anschläge zu begehen, dann gibt es gute Gründe, gegen ihn vorzugehen. Aber grundsätzlich gilt:
Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
Das ist nicht nach dem Willen der Konsensparteien. Sie würden diesen Grundsatz am liebsten abschaffen, und sie tun es auch, in dem sie das Grundrecht aushöhlen. Und das geht so:
Heute hat der Medienausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses getagt. Gleich dreimal haben wir erleben müssen, dass sich die anderen Parteien in der Regel wenig um das Grundgesetz scheren. Es begann mit meiner Frage in der Aktuellen Stunde: Wie bewertet der Senat die Haftstrafe für Olaf Kampmann? Die (von mir erwartete) Antwort des neuen, zuständigen Staatssekretärs Christian Gaebler (SPD): Wir kommentieren keine Urteile.
Meine Nachfrage: Wie beurteilt der Senat den weltweiten Trend, missliebige Journalisten ins Gefängnis zu werfen.
Seit mehr als zwei Monaten sitzt Olaf Kampmann im Gefängnis, weil er es gewagt hat, über die früheren Immobiliengeschäfte eines SPD-Bundestagsabgeordneten zu recherchieren. Christian Buchholz und ich fordern seine Freilassung. #Pressefreiheit @FreeOdk pic.twitter.com/kQfdK9p5RC
— gab.ai/Ronald Gläser (@ronaldglaeser) 24. April 2018
Jetzt wurde es spannend – vor dem Hintergrund des zuvor Gesagten: Denn normalerweise singen die Parteien das hohe Lied der Pressefreiheit, die gemeinerweise in halbdespotischen Ländern wie Ungarn oder Polen und erst Recht der Türkei oder Rußland eingeschränkt wird, wohingegen bei uns eitler Sonnenschein herrscht.
Gaebler sagte sinngemäß: Wer als Journalist in private Rechtsstreitigkeiten gerate, der müsse damit rechnen selbstverschuldet im Gefängnis zu landen. Das stimmt natürlich im Prinzip, aber zu dem Mechanismus, Journalisten durch ein Überziehen mit Klagen (oder anderen Mitteln) einzuschüchtern, hat der Staatssekretär nichts gesagt.
Im vorliegenden Fall spricht einiges dafür, dass die Strafe Kampmanns völlig unverhältnismäßig ist. Kein Wort dazu. Auch nicht von den anderen Fraktionen, insbesondere von Linken und Grünen, denen Kampmann politisch nahesteht.
Mein Eindruck: Weil Kampmann “seinen” Leuten auf den Keks geht, sind sie ganz froh, dass er hinter Schloss und Riegel sitzt. Soviel zum Einsatz für einzelne Journalisten, die sich mit den Mächtigen anlegen.
Zweite Szene: Der erste richtige Tagesordnungspunkt war der neue Rundfunkstaatsvertrag. Ich lehne den ab. Zum einen hat das GEZ-System seine Legitimation im Internetzeitalter verloren. Zum anderen ist die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) falsch, die der ganzen EU ohne wesentliche Mitsprache der Parlament in den Einzelstaaten ein einheitliches Datenschutzrecht beschert (Adieu Wettbewerb – willkommen Einheitsbrei). Die DSGVO ist der Hauptgrund für die Änderungen am Rundfunkstaatsvertrag.
Wozu ist der Rundfunkstaatsvertrag überhaupt da? Er regelt vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender, ihre Einnahmen, ihre Struktur etc. Es geht aber auch um private Sender und andere Medien. Dazu gleich mehr.
Die DSGVO schreibt Firmen vor, dass sie Leuten, deren Daten sie speichern, Auskunft darüber geben müssen auf Nachfrage. Es schreibt ferner vor, dass Firmen diejenigen, deren Daten sie verarbeiten, um Erlaubnis fragen müssen.
Was für ein Unfug.
Wenn früher Frau Müller zum Fleischer kam und anschreiben lassen wollten, dann hat die Frau des Fleischers, die an der Kasse saß, das möglicherweise erlaubt, weil sie Frau Müller kannte. Sie wusste, dass Frau Müller eine Stammkundin ist, die ihre Schulden immer bezahlt. Wohingegen ein Hausierer, der noch nie da war, keinen Kredit bekommen würde, weil die Gefahr zu groß ist, dass er die Rechnung nicht bezahlt.
Das was die Frau von dem Fleischer gemacht hat, nennen wir heute Datenverarbeitung. Dank Big Data werden sehr viele solcher Informationen gesammelt und ausgewertet. Solche Daten im großen Stil anzusammeln und zu missbrauchen, wäre falsch. Das muss geahndet werden.

Die DSGVO ein Brüsseler Bürokratiemonster
Aber die DSGVO – ein 150seitiger Monsterauswurf der Brüsseler Bürokratie – schüttet das Kind mit dem Bade aus. Sie verpflichtet jeden Datensammler automatisch die Erlaubnis zum Datensammeln einzuholen und darüber Auskunft zu geben. Kleinere Anbieter, Webseitenbetreiber etc. wissen nicht, wie sie diesen Formalkram bearbeiten sollen.
Ein Beispiel ist der Inhaber der Seite pankow.live, der die Einstellung seines Dienstes zum Mai angekündigt hat, weil er eine Klagewelle befürchtet.
Und mal ehrlich: Stellt euch vor, Frau Müller, die die Wurst haben will, aber erst später bezahlen kann, muss beim Bezahlen eine Einverständniserklärung unterzeichnen, dass der Fleischer bzw. seine Ehefrau an der Kasse die Information verarbeiten dürfen, dass sie eine vertrauenswürdige Stammkundin ist. So einen Quatsch denken sich doch nur Leute aus, die sich auch die Hose mit der Kneifzange anziehen, oder?
Jetzt stellt euch zudem den Fall vor, dass ein kritischer Journalist einem Politiker hinterherrecherchiert, um zu schauen, ob der in kriminelle Immobiliengeschäfte verwickelt ist oder sich Steuergeld in die eigene Tasche gesteckt hat.
Zum einen ist die entsprechende Datensammlung nach dem neuen Gesetz illegal, denn es werden personenbezogene Daten ohne Zustimmung des Betroffenen gesammelt. Außerdem kann der Journalist die Aufforderung erhalten: Zeigen Sie uns mal alles, was Sie über mich gesammelt haben. Datenschützer können Razzien in Redaktionen durchführen und so weiter.
Alles so, wie sie sich das in Peking oder Pjöngjang wünschen. In der EU ist das Gesetz am 25. Mai 2018, dank der DSGVO.
Aber halt. Die DSGVO sieht jetzt eine Ausnahmeregelung für Journalisten vor.
Aha, dann ist ja doch nicht alles schlecht, oder? Länder können doch ihre Medien davon befreien. Das heißt, es wird keine Einschränkung der Pressefreiheit geben.
Leider doch.
Zunächst mal sind das Kann-Bestimmungen. Malta, Italien oder Bulgarien können beispielsweise darauf verzichten. Dann gelten die extrem verschärften Datenschutzregeln dort auch für Journalisten. Sie sind dann quasi Freiwild für korrupte Politiker und mit ihnen unter einer Decke steckende Datenschützer.
Aber, was geht uns Malta an? Klar, das kann uns egal sein. Trotzdem ist es bezeichnend, dass so ein Regime in der EU installiert wird. Soviel zu den westlichen Werten, denen wir uns hier verpflichtet sehen und das ganze Polit-Blabla des Establishments. Die EU bewegt sich klar in Richtung auf eine Brüsseler Autokratie.
Aber wir haben doch eine Ausnahmeregelung in Deutschland! Ja, haben wir. Sie steht in diesem neuen Rundfunkstaatsvertrag. Aber: Sie bezieht sich nur bestimmte Journalisten.
Zum einen wird das Medienprivileg – so heißt diese Ausnahme euphemistisch, denn seiner Arbeit unbeschadet durch staatliche Einflussnahme nachgehen zu können, ist eigentlich kein Privileg, sondern eine Selbstverständlichkeit – für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkredaktionen festgeschrieben. (Zu Recht.) Dazu für die privaten Rundfunkredaktion. (Auch ok.) Und für alle weiteren Redaktionen, die sich dem Presserat UND dem Pressekodex unterwerfen. (nicht ok, weil es jene ausschließt, die das nicht tun.)
Eine Zeitung, die sich dem Pressekodex nicht unterwirft und bei Meldungen die Nationalität des Täters nennt, verstößt möglicherweise gegen den Pressekodex. Solche Redaktionen genießen keine Ausnahme. Sie können jederzeit von Datenschützern gerazzt und durch angebliche Datenschutzverstöße mundtot gemacht werden. Das ist die Wirklichkeit ab 25. Mai in Deutschland.
Ich glaube nicht, dass dann sofort eine Verhaftungswelle einsetzen wird. Aber – mark my words – wir werden in den kommenden Jahren immer öfter sehen, dass Journalisten und Blogger, vor allem rechte, konservative, unabhängige aufgrund von solchen Datenschutzverstößen zur Rechenschaft gezogen, eingeschüchtert und mundtot gemacht werden. (Wer es nicht glaubt, lese noch mal oben den Teil über Olaf Kampmann nach.)
Deswegen habe ich die Koalitionsparteien und alle Abgeordneten aufgefordert, eine Ausnahmeregelung FÜR ALLE JOURNALISTEN einzuführen. Ansonsten werden wir es tun und es anprangern, wenn die anderen Parteien dagegen stimmen. “Wenn die Auskunftspflicht und die Zustimmungspflicht wahr werden, ist die freie Presse in diesem Land mausetot”, so meine Worte.
Antwort der Regierungsparteien? Der geschätzte Kollege Frank Zimmermann (SPD) behauptete, es ginge in dem Rundfunkstaatsvertrag ausschließlich um die Angestellten der öffentlich-rechtlicher Sender UND ließ durchblicken, dass mit einer weitergehenden Ausnahmeregelung nicht zu rechnen sei.
Nun ja, ich las ihm die Stellen vor (Seite 11) und verwies darauf, dass der Begriff Presserat (der nichts mit öffentlich-rechtlichen Medien zu tun hat) elf Mal in dem Dokument auftaucht. Seine Aussage läßt darauf schließen, dass er das Vertragswerk nie gelesen hat. Was nicht schlimm ist, denn wer zieht sich schon gerne 50 Seiten Juristengestammel rein? Aber dann gehe ich nicht in so eine Sitzung, nicke das ab und behaupte noch, das und das würde drinstehen. Hier ist der Satz aus dem Rundfunkstaatsvertragsgesetz:
Kapitel VIII der Verordnung (EU) 2016/679 findet keine Anwendung, soweit Unternehmen, Hilfs- und Beteiligungs- unternehmen der Presse der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates unterliegen.
In Kapitel VIII geht es um die Strafen bei Verstößen. Ausgenommen werden Presseorgane, die die politisch korrekten Vorgaben erfüllen. Wer es nicht macht, hat keine Rechte mehr. Schwarz auf Weiß.
Deswegen habe ich zu Zimmermann und seinen Genossen gesagt: Sie schaffen Ausnahmen nur für Ihre politisch korrekten Freunde der Mainstreammedien. Er hat dieser Interpretation widersprochen. Urteilt selbst.
Letzter Punkt: Es ging auch noch um die Lizensierungspflicht für Youtuber. Ich hatte schon einmal die Abschaffung dieser Pflicht gefordert (exakt: Ich bat um Zustimmung zu einem entsprechenden FDP-Antrag).
Heute haben sich die anderen Parteien wieder erzählt, wie wichtig und unverzichtbar diese Lizensierungspflicht ist. Selbst der Vertreter der antragstellenden FDP meinte, der Antrag sei nicht der Weisheit letzter Schluss.
Ich war der einzige der widersprochen hat: “Wir sind doch nicht in China. Das geht den Staat gar nichts an, wer bei YouTube welchen Kanal betreibt.” Die anderen haben mich nur angeschaut, als wäre ich vom Mars.
So ist es. Sie sperren missliebige Journalisten weg. Sie machen kleine, politisch unkorrekte Verlage mit Hilfskonstruktionen wie dem Datenschutz fertig. Sie verlangen von Internetanbietern, dass diese Lizenzen beantragen, was stets impliziert: Wir können dir diese Lizenz entziehen, wenn du zu kritisch über uns berichtest.
Das alles hat mit Pressefreiheit nichts zu tun.