John McCain war eine schillernde Figur in der amerikanischen Politik. In Vietnam wurde er verwundet und gefangengenommen. Jede Bewegung, jeder Atemzug schien ihm schwerzufallen, aber er hat sich zusammengerissen und nicht gejammert. Sowas zeugt von Disziplin.

Politisch gesehen war McCain schwierig. Die Schuhe von Barry Goldwater, dem er als Senator aus Arizona nachfolgte, passten ihm nicht. Er war ein Freund aller Globalisten und Falken. Unvergessen ist sein Auftritt, bei dem er “Bomb, Iran” nach dem Rhythmus eines US-Schlagers sang.

Nun ist McCain an einem Gehirnturmor gestorben. Natürlich gilt für ihn das, was für jeden in dieser Situation gilt: de mortuis nihil nisi bene. Über Tote nur Gutes. Das sage ich als jemand, der ihn in der Vergangenheit differenziert gesehen und entsprechende Einschätzungen verfasst habe. Natürlich gilt es im Moment, seine vorbildliche Rolle hervorzuheben.

Aber was die deutschen Mainstreammedien jetzt veranstalten, ist so heuchlerisch, dass mir die Spucke wegbleibt. McCain war für sie jahrelang sowas wie der Anti-Christ. Nicht zuletzt, weil er es gewagt hatte gegen ihren vergötterten Barack Hussein Obama anzutreten. So schrieb der Stern 2008:

Wenn man John McCain ein paarmal zugehört hat, packt einen irgendwann eine seltsame Lust, auf den Mann zuzugehen, ihn kräftig zu schütteln und zu brüllen: Verdammt, McCain, in welcher Welt lebst du eigentlich? Macht man natürlich nicht, weil es vermutlich nichts bringt und weil man sicher sofort im Gefängnis landet.

Ein Mann aus dem Publikum steht nun auf, er stellt sich kurz vor, er ist Lehrer, er fragt McCain nach dem Kaukasuskonflikt. McCain wippt aufgeregt mit den Füßen und nickt heftig mit dem Kopf. Darauf hat er nur gewartet. Er wird sofort zum “commander-in-chief “, der den gefährlichen Russen mit markigen Worten droht, als stünde der nächste Weltkrieg kurz bevor. Georgien ist wunderbar für John McCain, den ewigen Krieger, den kalten Krieger, den ewigen kalten Krieger. Es ist seine neue Spielwiese, auf der er sich austoben kann.

Oder die Zeit, die sich 2008 gerne Charakterisierung wie diese zu eigen machten: “Der neue McCain ist ein sarkastischer, bissiger grumpy old man.”

Vor allem seine kämpferische, geradezu aggressive, Haltung wurde ihm in der Vergangenheit immer vorgeworfen. In den deutschen Medien wimmelt es ja von pazifistischen Propagandisten, die alles, was nach US-Intervention riecht, verdammen.

Aber: Jetzt ist McCain für die Mainstreammedien plötzlich ein “guter Krieger” (Tagesspiegel), ein “amerikanischer Held” (FAZ) oder gar “der letzte Liberale” (Zeit 2018). Und das alles nur, weil McCain sich am Ende seiner politischen Lebens als Hauptkritiker Donalds Trumps innerhalb der Republikaner profiliert hat.

Leute, das ist so durchschaubar und zeigt, wie voreingenommen die Zeitgeistmedien über Persönlichkeiten berichten. Glücklich, wer seine Worte von gestern nicht essen braucht. Ich bleibe lieber bei einer nüchternen Einschätzung: John McCain war eine herausragende Figur der amerikanischen Politik. Über die Schattenseiten wollen wir angesichts seines Todes schweigen.

Möge er in Frieden ruhen.