Früher gingst du ins Kino. Und wenn du ankamst, dann standen da Massen von Leuten in langen Schlangen. Blöd. “Kino 7 ist schon ausverkauft.” “Wir können noch die 22-Uhr-Vorstellung nehmen.”

Das ist Vergangenheit. Inzwischen buchen viele online vorher eine Karte oder verschaffen sich zumindest einen Überblick, wann und wo es zu voll sein könnte. Welches Kino stattdessen wo und wann in Frage kommt – dank Internet ist das alles auf einen Blick recherchierter.

Die digitale Revolution bringt Kinobetreibern und ihren Kunden also einen großen Nutzen. Aber auf der anderen Seite greift sie natürlich auch das Geschäftsmodell an. Streamingdienste wie Netflix graben dem klassischen Kino das Wasser ab.

Wie kann der Staat darauf reagieren? Und sollte er das überhaupt?

Mit diesen Fragen durfte ich mich heute im Medienausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses befassen. Geladen war Dr. Christian Bräuer, Chef des Yorck-Kinos und der AG Kino, einer Lobbyorganisation.

Leer dank Netflix? Foyer des Cinemax am Potsdamer Platz

Der Kinochef sprach von verschiedenen “Disruptionen”, die die Branche durchgemacht habe: erst die Multiplexe, dann das Internet, jetzt der rasante Aufstieg von Netflix in Verbindung mit einem Jahrhundertsommer und einer Flaute bei deutschen Filmen, was zu einem Umsatzrückgang von sieben bis acht Prozent geführt habe. 2018 war demnach ein “katastrophales Kinojahr”, so Bräuer.

Anbieter wie Netflix würden Nutzer dazu einladen, zu Hause zu schauen, da die Abogebühr ja bereits beglichen sei. Wer mag noch mal extra Geld ausgeben, wenn er sowieso schon für Filme bezahlt hat, die er kaum alle anschauen kann. Außerdem klagte Bräuer über die Bedingungen, die Netflix oder Disney als Produzenten den Kinobetreibern auferlegen. Natürlich haben die eine große Marktmacht, die sie ausspielen.

Zum einen wird der Senat daran nichts ändern können. Zum anderen sind das auch einfach Sehgewohnheiten, die sich ändern. Die Leute wollen nicht rausgehen, wenn sie die Filme auch zu Hause schauen können – egal, wie sehr Feuilletonisten das Kino als Begegnungsort abfeiern. Das ist so. Es werden sich daher nicht alle Kinos halten können.

Dabei verlaufen solche Debatten im Abgeordnetenhaus nach dem immer gleichen Schema, das Ronald Reagan 1986 gut beschrieben hat – so sehen Politiker die Wirtschaft:

Wenn sie sich bewegt, besteuere sie.

Wenn sie sich weiterhin bewegt, reguliere sie.

Wenn sie sich nicht mehr bewegt, subventioniere sie.

Eine Firma wie Netflix ist demnach “böse”, weil sie neue Marktanteile erobert. Warum macht sie das denn? Weil sie besser darin ist als andere, die Bedürfnisse der Kunden zufriedenzustellen. Und die Kinobetreiber, egal wie unfähig, sind die Guten, weil ihr Geschäftsmodell sympathisch ist, Arbeitsplätze gesichert werden oder oder oder.

Also dreht sich im Denken meiner geschätzten Parlamentskollegen nur wieder darum, die Kinobranche mit so viel Geld zu bewerfen – hart erarbeitetes Geld der Berliner Steuerzahler – bis sich ihr Geschäftsmodell wieder rechnet. Deswegen beteiligt sich der Staat an Modernisierungsmaßnahmen, fördert Filmproduzenten und so weiter.

Ihr seht: Ich stehe der Subventionitis kritisch gegenüber. Wenn es nach mir ginge, gäbe es keine Filmförderung, keine Modernisierungszulagen, nichts dergleichen. Der Staat soll sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und für Sicherheit und Ordnung sorgen. Dann würden vielleicht auch die Filme besser, weil nicht mehr Förderkriterien erfüllt werden müssen, die letztlich politisch-korrekte Rohrkrepierer produzieren.

Das sehe nicht nur ich so. Dr. Bräuer sagte über die Filmförderung: “Filmförderung erfolgt mehr unter Standortgesichtspunkten statt unter Qualitätsgesichtspunkten.” Das wollte keiner hören von den anwesenden Experten im Ausschuss. Schnell wurde das unter den Tisch gekehrt. Das gleiche galt für seine Aussage, dass es inzwischen viel zu viele Filme gäbe. Die Produzentenallianz selbst habe darüber geklagt, dass sie keine “Handwerker mehr” finde, die an neuen Projekten mitarbeiten könnten.

Ich will natürlich nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Kinos sind gut. Wir wollen sie in unseren Städten haben. Doch Mut zur Wahrheit bedeutet, dass nicht alle überleben werden. Andererseits hat das Fernsehen auch nicht alle Kinos ausrotten können. Und Zeitungen und vor allem Magazine gibt es trotz 25 Jahren Internet auch immer noch. Aber die Dimensionen werden geringer. Es wird immer einen Markt für Kinos geben, aber er wird kleiner sein.

Deswegen habe ich gefragt, was der Staat an nervigen Auflagen und Bürokratie verlangt. Brandschutz und andere Bauauflagen machen Investoren jeglicher Couleur das Leben schwer, wie wir wissen. Das bestätigte Dr. Bräuer. Und er berichtete davon, dass nur noch solche Kinos gefördert werden nach dem Filmfördergesetz, die barrierefrei sind. Guter Vorsatz, aber leider schwer umzusetzen für manch einen Anbieter. Solche Regeln lehne ich ab.

Witzigerweise schob er hinterher, dass bei der Kinoförderung bewusst nicht darauf geachtet würde. Wieder schauten und hörten die Kollegen Abgeordnete schnell weg, um nicht von der Nutzlosigkeit ihrer eigenen Vorschriften Kenntnis nehmen zu müssen. “Hat er was gesagt?” “Nein, ich habe gerade nicht zugehört.”

Am Ende berichtete Dr. Bräuer von der Politik in Frankreich. Dort werden Kinos durch den Staat dadurch unterstützt, dass er schlicht am Sonnabendabend Unterhaltungsfilme im Fernsehen verboten hat. Gute Idee, bestimmt auch hilfreich. Aber so einem Land will ich nicht leben, in dem Bürokraten über das TV-Programm bestimmten. Dürfte ohnehin im Netflix-Zeitalter obsolet sein.

Andererseits kam mir da der Gedanke: Wenn unsere Forderung Wirklichkeit würde, dass nur noch derjenige die GEZ zahlen muss, der auch wirklich öffentlich-rechtlichen Rundfunk konsumiert, dann hätten die Aussteiger auf jeden Fall mehr Geld in der Tasche für einen Kinobesuch. Insofern ist diese Forderung der AfD wie gemacht zur Unterstützung der Kinos. 

Ich habe den anderen Parteien diesen Gedanken erspart, sie hätten es sowieso nicht verstanden.

Später in der Sitzung ging es noch um den Medienstaatsvertrag, der überarbeitet werden soll. Unter anderem geht es wohl darum, noch mehr Frauenquoten-Gendergaga ins Gesetz zu schreiben, was wir natürlich als einzige ablehnen. Ebenso sind wie die einzigen, die keine Ausweitung der Förderung sogenannter nichtkommerzieller Rundfunkangebote wollen. In Wahrheit sind das halbstaatliche Nischensender, die kaum jemand hört oder sieht, deren politisch korrektes Programm jetzt noch neben das der öffentlich-rechtlichen Dinosaurier treten soll. Vor allem CDU und FDP haben sich mal wieder hemmungslos auf die Seite der Geldverplemperer von links gestellt und die Ausweitung der Mittel gefordert. Peinlich, wie die mit dem hart erarbeiteten Steuergeld der Berliner umgehen.

Außerdem: Die Altparteien haben gerüchteweise Angst vor einer zu starken AfD in Brandenburg und wollen deswegen die Besetzungsregeln ändern. Keine Zweidrittelmehrheit mehr, sondern nur noch eine absolute. Der Grund könnte sein, dass die AfD bei einem besonders guten Abschneiden so stark ist, dass sie über den Brandenburger Landtag Kandidaten ab 2019 blockieren kann. Die Insider auf der Regierungsseite leugnen dieses Motiv zwar hartnäckig. Aber die liefern auch keine anderslautende Begründung. Plus: Der geschätzte Kollege Frank Zimmermann (SPD) hat heute noch einmal darauf bestanden, dass unbedingt noch vor der Brandenburger Landtagswahl alles in Sack und Tüten sein müsse. Nachtigall, ich hör’ dir trapsen. Vor der Sitzung dachte ich, das seien Fakenews. Jetzt kommen mir daran Zweifel.

Mir egal. Oder genauer gesagt: Ich befürworte diese Regelung auch. Denn: Ich denke über den Tag hinaus. Eines Tages werden wir uns in einer Regierungskoalition befinden. Und dann wird es schwierig sein, eine Zweidrittelmehrheit für einen unserer Leute aufzubringen. Aber wenn die Mehrheit nur noch bei 50% plus einer Stimme besteht, dann dürfte das klappen.

Hugh Bronson meinte nach der Sitzung auch: Die anderen denken nicht so weit, “die fahren auf Sicht”.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Nachtrag (29.12.2018): Ich habe mir fest vorgenommen, zwischen den Jahren mit den Kindern ins Kino zu gehen. Bei mir in der Nähe ist der Blaue Stern. Aber so sehr ich das Programmangebot rauf- und runterlese… ich finde da nur Quatsch. Schaut selbst:

Da haben wir eine Geschichte der jungen Astrid Lindgren. Ein Weltklasse-Schriftstellerin zweifellos – aber auch langjähriges Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Außerdem läßt der Trailer erahnen, dass es darin Sexszenen gibt, die ich kleinen Kindern nicht zeigen mag, auch wenn das FSK 6 steht. Dann ein Frauen-Epos mit “frischem feministischem Twist” (Colette). Danke schön, das könnte ihr im Prenzlauer Berg bei einer lactosefreien Sojalatte schauen. Das gleich gilt für den Öko-Film Gegen den Strom. Den kleinen Drachen Kokosnuss kenne ich aus Büchern – das ist Gutmenschenunterhaltung. Und zur Krönung eine Eloge auf die Linksaußen-Richterin am Supreme Court Ruth Bader Ginsburg. Bleiben Der Grinch (bin kein Freund von Anomationsfilmen) und Der Junge muss an die frische Luft. Letzter Film ist der einzige, den ich in Erwägung ziehe. Das ist aber alles ziemlich mau. Warum nichts mit Indianern? Warum kein Film, der positive Aspekte der deutschen Geschichte beleuchtet? Neulich haben wir Der Patriot mit Mel Gibson geschaut – wo sind solche Heldenstorys aus der deutschen Geschichte? Danach gab es Ghostbusters (die alte, gute Fassung, versteht sich) – zum x-ten Male. In Niederschönhausen wählen 20 Prozent AfD und nochmal so viele CDU – sollen die alle mit PC-Unterhaltung abgespeist werden?

Im ganzen Portfolio der Yorck-Gruppe habe ich zwei Filme gefunden, die anzuschauen sich lohnen würde: Ballon und Der Vorname. Beide werden nur im Kantkino gespielt, also weit weg. Die Kinobetreiber brauchen sich über Umsatzrückgänge nicht zu wundern, wenn sie nur einseitig ein bestimmtes Genre spielen und einen Großteil ihrer potentiellen Kundschaft rechts liegen lassen. Schade.