Es gibt Typen, die musst du einfach mögen. Die kommen gut bei allen an, sind immer fröhlich-freundlich, wirken nie schlecht gelaunt. Frank Schilling gehörte zu dieser Sorte. Er hatte immer ein nettes Wort für andere parat. War immer witzig. 

Er hatte so eine Art, sich zu bewegen, beinahe zu tänzeln. Er bewegte sich vor dir gestikulierte und setzte gleichzeitig eine Mimik auf. Er war nie um eine Antwort verlegen. Eine Art kommunikatives Gesamtkunstwerk. Dabei war er stets korrekt angezogen. Hemd, Krawatte, Zweitagebart, glatte Frisur.  

Eine seiner Leidenschaften war das Reisen. Er ist etwas rumgekommen auf der Welt. Vor ziemlich genau einem Jahr war er in Kapstadt. Das Foto, das er dort hat aufnehmen lassen ziert bis heute sein Facebookkonto. Er hat auch mal wichtige Parteiveranstaltungen ausfallen lassen, weil eine Reise wichtiger für ihn war. Aber davon gleich mehr.

Er ist nach dem Studium (BWL, Marketing) nach Berlin gekommen und hat bei der Jungen Freiheit angefangen als Anzeigenleiter. Die Arbeit bei diesem Verlag ist nicht irgendein Verkaufsjob. Wer schaltet schon Anzeigen in einem vom Mainstream wahlweise geschnittenen oder verhassten Blatt wie der JF?  

Frank Schilling auf der Leipziger Buchmesse (2006)

Anzeigenverkäufer bei der JF dürfte einer der härtesten Jobs der Branche sein. Du musst nicht nur ein Verkaufsgenie sein, sondern auf frustrationsresistent. Frank Schilling hat diese Aufgabe gemeistert jahrelang. Nicht nur die Auflage der Wochenzeitung stieg stetig. Frank holte auch immer wieder lukrative Werbekunden heran. 

Er dachte in wirtschaftlichen Kategorien und hatte den Blick des Geschäftsmannes für Deals. Einmal vor über zehn Jahren saßen wir beisammen im „I due Forni“ im Prenzlauer Berg. Er plante damals ein neues Zeitungsprojekt. Konservativ-liberal, aber mehr Wirtschaftsthemen als die JF und weniger intellektuelle Aufsätze, dafür vielleicht etwas boulevardesker. Eine Mischung als Bild, Bayernkurier und Focus für die große Masse. Die Idee stand noch am Anfang, aber er hatte bereits die Zusagen von Werbekunden. Er redete und redete. Irgendwann sagte ich zu ihm: „Ey Frank, du hast viele gute Ideen.“ Da schmunzelte er. Ich kenne ehrlich gesagt nur einen einzigen Geschäftsmann, der so in solchen Dingen aufgeht und Geschäftsideen am laufenden Band entwickelt.

Jahre später fuhren wir bei zu einem Mittelstandstreffen der AfD nach Potsdam. Da diskutierten wir diverse politische Fragen. Frank schlug eine Pflicht für Selbständige vor, Steuern und Sozialabgaben monatlich zu bezahlen und nicht erst zu warten, bis irgendwann die große Rechnung kommt. Bestimmt hat er da selbst negative Erfahrungen gemacht, so vehement, wie er dafür plädierte.

Ich lehnte diese Idee ab und mache das auch heute. (Abgesehen davon, dass Finanzämter Freiberufler sowieso ab einer bestimmten Summe mit quartalsweisen Vorauszahlungen drangsalieren.) Aber mir fiel auf, dass er seine Worte gut wählte und überzeugend argumentierte. Frank Schilling war ein Naturtalent darin, Leute von etwas zu überzeugen.

Politische Erfahrung hatte er vor der AfD bei der Jungen Union gesammelt. Als wir uns bei der JF kennenlernten, war er da wohl schon ausgetreten. 2005 standen wir gemeinsam am Checkpoint Charlie, als der rot-rote Senat in einem frühmorgendlichen Willkürakt die Mauerkreuze abräumen ließ, die Alexandra Hildebrandt vom Mauermuseum dort hatte aufstellen lassen. Sie erinnerten an die Mauertoten. Das war dem Senat ein Dorn im Auge. 

Auch für Frank war die Gründung der AfD 2013 ein großer Hoffnungsschimmer. Wir wurden zeitgleich Mitglied und fanden schnell Anschluss. 2014 wurde ich in den Landesvorstand gewählt. Er saß bei der Wahl neben mir und jubelte, als das Ergebnis bekannt gegeben wurde: im ersten Anlauf gewählt. Wenig später überraschte er mich mit einem Anruf: „Du, ich bin heute zum neuen Bezirksvorsitzenden von Charlottenburg-Wilmersdorf gewählt worden.“ Ich so: „Wahnsinn, wie hast du das gemacht?“ Er: „Ich bin einfach hingegangen und habe eine Rede gehalten.“

Er stürzte sich in die Arbeit. Veranstaltete Vorträge, hauchte der Partei leben ein mit gemeinsamen Kochkursen und anderen Aktivitäten. Er sprach mit Blick auf die anstehende Berlinwahl 2016 davon, wie sehr er sich darauf freue mit bestimmten Parteifreunden wie Carsten Ubbelohde die BVV aufzumischen. Selbst eine Kandidatur für das Abgeordnetenhaus zog er in Erwägung, allerdings waren wir ein Jahr vor der Wahl noch nicht so stark in der Stadt, dass wir damit rechnen konnten eine Fraktion mit mehr als 20 Abgeordneten stellen zu können.

Frank Schilling auf einer AfD-Demo in Berlin (November 2015)

Frank Schilling wäre ein guter Abgeordneter geworden. Ich stelle mir vor, wie er im Wirtschaftsausschuss Ramona Pop ins Kreuzverhör nimmt oder im Kulturausschuss den linken Zeitgeist anprangert. Aber es kam anders: Nach einem Jahr wurde er auf einer von mir geleiteten Sitzung wiedergewählt. Allerdings hatte er einen starken Gegenkandidaten, der in zwei Wahlgängen vor ihm lag (30:28 und 30:29). Er war kurz davor alles hinzuwerfen. Erst im entscheidenden dritten Wahlgang hatte Frank genug Stimmen. Die Lehre daraus ist: Ein Spiel ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Wenn du bis zum Ende dranbleibst, kannst du noch gewinnen, auch wenn es zeitweise schwierig aussieht.

Trotz seines Erfolges verlor er die Lust. Seine gesunkene Popularität im Bezirk dürfte u.a. auch daran gelegen haben, dass ihm das politische Kleinklein langweilig geworden ist. Viele denken an die tollsten Dinge, wenn jemand sagt, er ginge in die Politik. Putin, Snowden, Steuersenkungen, BER, Pharmaskandal, Dieselgate, Bankenpleite, Frank Underwood. In Wirklichkeit ist so ein Bezirksvorsitzender mit dem Ausfüllen von Antragsformularen für Infostände beschäftigt oder langatmigen Monologen schwieriger Parteifreunde auf nicht enden wollenden Gremiensitzungen. Und abends muss er sich von auf Krawall gebürsteten Parteifreunden, die nie etwas machen, aber immer nörgeln, wüste Beschimpfungen auf Parteiversammlungen anhören. Und dabei ändert ein Bezirksverordneter noch nicht mal den Fahrplan einer Straßenbahn. Selbst ein Landtagsabgeordneter einer Oppositionsfraktion hat fast null Einfluss auf das Geschehen. Das kann frustrieren.

Franks Leidenschaft schmolz dahin, er zog sich zurück. Auch, weil ihm der rabiater werdende Ton in der Partei nicht gefiel. Er wollte eine AfD, die ein seriöses Angebot an frühere SPD- oder CDU-Wähler darstellt – keine laute Haudrauftruppe. Er vermied radikale Töne.

Ein paar Jahre vor der AfD rief mich mal ein Fernsehsender an. Ein TV-Moderator suchte einen konservativen Gegenspieler für eine Sendung, um eine der ersten laufenden Sarrazin-Debatten zu erörtern. Der frühere Berliner Finanzsenator hatte mit eigentlich unspektakulären, von Gutmenschen aber als Provokation empfundenen Äußerungen zu Kopftuchmädchen und Gemüsehändlern von sich Reden gemacht. 

Frank lehnte ab. Er sagte: „Ich habe Araber in meinem Freundeskreis.“ Wenn er in so eine Krawalltalkshow ginge, dann würden da nur Stereotypen über Zuwanderer ausgetauscht, was das Publikum lieben mag – aber ihm war das schon zu billig. 

Frank Schilling wurde auch die Radikalisierung einiger Protagonisten in der AfD zu heikel. Auch deswegen zog er die Konsequenzen und legte den Bezirksvorsitz einige Wochen nach seiner Wiederwahl nieder. Ich rief ihn an, um ihn umzustimmen. Vergeblich.

Für ihn muss sich das wie eine Befreiung angefühlt haben: Er konnte als einfaches Mitglied noch besser und lauter vor einer Radikalisierung der Partei warnen. Und das tat er fortan auf Versammlungen und in den sozialen Netzwerken. Immer wieder warnte er davor, die drohende Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz auf die leichte Schulter zu nehmen.

Wer wüsste es besser als er? Der Marktingchef der JF, der die ganze Zeit an Bord war, als die Dienste der Zeitung wider besseres Wissen in einem Willkürakt den Status einer demokratiegefährdenden Publikation gaben. Es dauerte Jahre, bis die JF 2005 endlich erfolgreich vor dem Bundesverfassungsgericht diese Beobachtung zu Fall brachte. Jahre, in denen Anzeigenkunden und Grossisten die Zusammenarbeit ablehnten. Und es dauerte weitere Jahre, bis sich die JF von dem Imageschaden erholt hatte. Der Verfassungsschutz hat das Florieren der Zeitung behindert. 

Wenn es also ein Vermächtnis gibt, das uns Frank Schilling hinterläßt, dann ist es die Erkenntnis, dass alles, was dazu beiträgt, die AfD in die rechtsradikale Ecke zu manövrieren kontraproduktiv ist. Es behindert den weiteren Aufstieg und errichtet Hürden, was Regierungsbeteiligungen angeht. Diese sind jedoch der Weg, um Einfluß auf die Politik ausüben zu können. Entschlossenheit und Durchsetzungsfähigkeit sind nicht automatisch bei demjenigen, der das große Wort führt und den politischen Gegner am lautstärksten diffamiert. Sondern bei demjenigen, der smart genug ist, seine Inhalte so zu verpacken, dass er damit auch Zweifler gewinnt und Verbündete findet.  

Jetzt zu den traurigen Umständen, die diesen Nachruf notwendig gemacht haben: Seit einer Woche hatte niemand etwas von Frank Schilling gehört. Die Familie – nicht in Berlin ansässig – machte sich Sorgen, informierte die Polizei. Die Beamten öffneten seine Wohnungstür und fanden ihn tot zu Hause. Frank Schilling wurde nur 44 Jahre alt. 

Die alten Römer sagten: Wen die Götter lieben, der stirbt jung. Das ist kein Trost für die Hinterbliebenen. Aber Frank war genau der Typ, auf den dieser Satz gemünzt ist. Er war ein gutaussehender, Energie ausstrahlender Geschäftsmann mit einem großartigen Humor auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft und seines Erfolges. Er wurde buchstäblich aus dem Leben gerissen. Ruhe in Frieden, mein Freund. Du bist nicht zu ersetzen.