In England gibt es jeden Tag 100 Messerstechereien. Es gab seit 2005 eine Reihe spektakulärer islamistischer Anschläge mit mehr als 80 Toten. Dazu die unzähligen Missbrauchsfälle durch pakistanische Banden wie in Rotherham. Kurz: Die Engländer haben einiges zu erzählen über kriminelle Einwanderer und islamistische Terroristen. Daher bin ich in der vergangenen Woche mit dem Ausschuss für den Verfassungsschutz nach London gereist. Es war meine erste Ausschussreise. (Mehr über Ausschussreisen am Ende des Textes.) 

Sicherheitsmaßnahmen in London: Poller zum Aufhalten von Auto-Anschlägen am Bahnhof Victoria Station, Polizisten

Von Montag bis Mittwoch sprachen wir mit Experten über Terrorbekämpfung, Polizeiarbeit, und die Kontrolle der Geheimdienste durch das Parlament. Interessante und gehaltvolle Diskussionen. Vor allem habe ich einiges über das britische Rechtssystem gelernt. Diese Dinge sind mir besonders aufgefallen: 

Von Montag bis Mittwoch sprachen wir mit Experten über Terrorbekämpfung, Polizeiarbeit, und die Kontrolle der Geheimdienste durch das Parlament. Interessante und gehaltvolle Diskussionen. Vor allem habe ich einiges über das britische Rechtssystem gelernt. Diese Dinge sind mir besonders aufgefallen: 

  1. Der hochkarätigste Vortragsredner war Dominic Grieve, der Vorsitzende des Parlamentsausschusses zur Kontrolle der Geheimdienste. Er berichtete über seine Arbeit. Zum Beispiel darüber, dass sein Ausschuss statistische Daten erhält, aber nicht veröffentlicht. Oder darüber, dass Minister und am Ende der Premierminister bei Berichten ein Veto-Recht vor der Veröffentlichung haben. Geheimdienste heißen nun mal Geheimdienste, weil sie geheime Dinge tun. Und die parlamentarische Kontrolle derselben ist nirgendwo perfekt. 
  2. Danach berichtete ein Angehöriger eines Gerichtes, das sich nur mit Geheimdienstangelegenheiten befasst, von seiner Arbeit. Mag die parlamentarische Kontrolle weniger stark ausgeprägt sein als bei uns – so ist das etwas, das es bei uns gar nicht gibt. Jeder kann dieses Gericht anrufen, es gibt kein Prozeßkostenrisiko. 
  3. Ein weiterer Vortrag gab Aufschluss über die Zusammenarbeit der Dienste untereinander. Gemeint sind nicht nur die Auslandsaufklärung MI6 und die Inlandsaufklärung MI5, sondern auch Scotland Yard, die normale Polizei und die Justiz. Dies zog sich wie ein roter Faden durch die dreitägige Mini-Konferenz: Die Briten kennen kein Trennungsgebot (zwischen den Institutionen) wie bei uns. Was bei uns u.a. als Einschränkung staatlicher Machtausübung als notwendig erachtet wird, wäre für die Briten eine lästige Marotte. 
  4. Auch Bedenken gegen totale Überwachung gibt es eher nicht auf der Insel. 86 Prozent der Fläche Londons seien mit Kameras abgedeckt. Der Durchschnittsbürger wird pro Tag von 400 Kameras erfasst. Wenn ein Polizist eine bestimmte Person markiert, die er auffällig findet, dann wird diese an allen möglichen Stellen zur Beweissicherung fotografiert. Diese Information haben wir aber nicht von der Polizei, sondern von unserer Stadtführerin bekommen, die vom Erlebnis eines deutschen Busfahrers berichtet hat, der 1.100 Pfund Strafe zahlen musste, als er in Dover in den Tunnel fahren wollte. Warum? Weil er es gewagt hatte, am Steuer zu seinen Fahrgästen zu sprechen und dabei fotografiert worden war. (Meine persönliche Position dazu: Kameras an bestimmten Orten können wirksam bei der Kriminalitätsbekämpfung sein, sind aber kein Allheilmittel.)
  5. Andererseits zaudern die Engländer auch nicht, wenn es darum geht Islamisten auszubürgern. Die Bereitschaft dafür sei „deutlich größer“, berichtete ein Experte. Der Ausschuss sprach in diesem Zusammenhang auch über Shamima Begum, eine 19jährige, die aus dem IS-Territorium nach England zurückkehren wollte. Aber die Briten haben ihr die Staatsbürgerschaft kurzerhand entzogen. Mutige Maßnahmen gegen Rückkehrer aus dem Kriegsgebiet würde ich mir auch bei uns wünschen!
  6. Verstörend ist die politische Korrektheit der Briten. Habe das schon früher erlebt, als ich mal für die Zeitung bei der Londoner Polizei angerufen und nach Statistiken zum Migrationshintergrund von Straftätern gefragt hatte. Pikierte Antwort: „So etwas erfassen wir nicht!“ Die Dame von Scotland Yard wirkte am Telefon so, als hätte ich sie gebeten, dass sie mir ein paar Nacktfotos von sich schickt. Diesmal war es auch so. In den drei Tagen in London ist vielleicht zwanzigmal das Wort „Islam“ gefallen. Islamisten sind „Angehörige einer religiösen Gruppe“, Terrorverdächtige sind „gefährdete Personen“ (gefährdet, weil sie in den Terrorismus abzugleiten drohen) oder „Patienten, die Hilfe benötigen“. Sorry, aber diese ganzen Euphemismen könnt ihr euch an den Hut stecken.
  7. Es geht noch weiter. Die Briten bedauerten sogar, dass „eine bestimmte Bevölkerungsgruppe“ sich ständig beschweren würde, dass die Maßnahmen zur Prävention und Strafverfolgung gegen eben jene Gruppe richten würden (welche wohl?). Statt mit klarer Ansage reagieren sie mit Neusprech, Floskeln und Schönfärberei. Mut zur Wahrheit ist angesagt! Ein Beobachter sagte zu mir: „Hier wird viel für die Fassade getan.“ Das gilt für oberflächliche Sicherheitsmaßnahmen (Poller auf Brücken) ebenso wie für die Pseudo-Gleichbehandlung von Terrorgefahren. Immer wieder betonten sie, wie wichtig es auch sei, gegen die rechtsradikale Terrorgefahr vorzugehen. Mag sein, dass es auch in England Rechtsradikale gibt, die verfolgt und bestraft werden müssen. Nur scheint mir das kein so ausgeprägtes Phänomen zu sein wie die Terrorgefahr, die von radikalen Muslimen ausgeht. Der Mörder von Jo Cox war ein Einzeltäter, der diesen Namen verdient. Salman Abedi, der Selbstmordattentäter von Manchester, nunmal nicht.
  8. Immerhin wird hinter der Fassade durchgegriffen: Wir hörten eine Geschichte eines Lehrers an einer Koranschule, der Kinder aufgehetzt und einen Anschlag vorbereitet haben soll. Ich habe den Fall nicht intensiv studiert – aber mein oberflächlicher Eindruck ist: In Deutschland wäre jemand dafür mit einer milden Strafe davongekommen. In England jedoch erhielt dieser Typ lebenslänglich. Und in England heißt lebenslänglich zu Recht so. Die Strafen fielen hier schon immer härter aus. Aller politischer Korrektheit zum Trotz. Viel Fassade eben.
  9. Am letzten Tag erfuhren wir vom Fall eines Islamisten, der vom MI5 überführt wurde. Der Mann hatte unwissentlich Kontakt zu einem agent provocateur aufgenommen. Diesem hatte er geschildert, dass er Downing Street No. 10 in die Luft sprengen wolle. Der Agent besorgte ihm eine Bombe und einen Sprengstoffgürtel. Beides natürlich nicht funktionstüchtig. Kurz nach der Übergabe wurde der Möchtegern-Terrorist überführt. Schwierige Sache, finde ich. Es ist nicht die Aufgabe staatlicher Agenten, aus potentiellen Terroristen echte Terroristen zu machen.
  10. Und Linksextremismus? Kein Thema. Von den Briten haben wir dazu nichts gehört. Und ein deutscher Polizist überraschte mit der Aussage, so etwas wie die Antifa in Berlin oder Hamburg gäbe es in England nicht. Am gleichen Tag wurde Nigel Farage mit einem Milchshake beworfen (das nächste Mal ist es dann wohl ein Stein oder eine Kugel), worüber alle Zeitungen berichteten. Mir kamen die Bilder in Erinnerung, wie die Antifa Tommy Robinson angegriffen hat – ein Akt der politischen Gewaltausübung in Verbindung mit Einschränkung der Pressefreiheit, aber vielleicht habe ich das ja nur geträumt…
  11. Gute Entscheidung übrigens von David Cameron, der gleich nach seinem Amtsantritt 2010 die Zusammenarbeit mit moderaten Islamisten eingestellt hat. In Berlin wird ja derzeit über eine solche Kooperation diskutiert. 
Attacke auf Nigel Farage mit einem Milchshake – Ausdruck einer aufgeheizten Stimmung

Zudem habe ich im Alleingang am letzten Tag die Gegner und Befürworter des Brexit aufgesucht, die vor dem Westminster Palast demonstrieren. Unvergesslich ist meine Begegnung mit dem Brexiteer Will aus Nord-London. Wir sprachen über das Brexit-Referendum und darüber, wie die Engländer betrogen werden sollen. Als ich ihm dann nach einigen Minuten nüchtern berichtete, ich sei Abgeordneter aus Deutschland mit Sympathien für den Brexit, riss er die Augen auf und umarmte mich („Man, You’re from AfD, great!“). Später sprachen wir über die Wahlchancen der AfD, und ich dämpfte seine Erwartungen. Ich versuchte ihm zu erklären, was die Faschismuskeule ist und wie sie von den Konsensparteien gegen unliebsame Konkurrenten wie die Alternative eingesetzt wird. Da konterte er sofort: „Aber Hitler war doch ein Linker.“ In der Tat, leider begreifen das nur die wenigsten bei uns. Alles weitere habe ich in einer Reportage verarbeitet.

Will aus London ist bei den Torys und demonstriert in Westminister gegen den Betrug nach dem erfolgreichen Brexit-Votum

Das sind die wichtigsten Beobachtungen, die ich während meines Aufenthalts in der englischen Hauptstadt gemacht habe, die ich zuletzt vor genau 30 Jahren als Austauschschüler besucht hatte:

  1. London ist jung. Das ist zumindest mein subjektiver Eindruck nach mehreren Spaziergängen und Bahnfahrten in der Innenstadt. Du siehst weniger alte Leute als bei uns. Es ist eine lebendige Stadt.
  2. Der Innenstadtbereich und insbesondere die legendäre City sind eine Insel der Glückseligkeit. Zwar ist der Anteil der weißen Briten an der Londoner Bevölkerung schon vor Jahren unter die 50-Prozent-Marke gefallen, aber davon bekommen Londonbesucher in der Innenstadt nichts mit. Es laufen einem kaum mehr Einwanderer als in Berlin über den Weg. Und wenn einem Nicht-Weiße begegnen, dann meistens gut integrierte oder gut betuchte Touristen. Die Problembezirke sind außerhalb des Stadtkerns, aber die haben wir außer bei einer kurzen Rundfahrt am ersten Tag nicht zu Gesicht bekommen.
  3. London funktioniert. Es sind viele kleine Dinge: Die Leute halten sich auf der Rolltreppe an die einfache Regel „links gehen, rechts stehen“. Sie warten diszipliniert. Die Bahn kommt gefühlt im Minutentakt. Es gibt keine Dreckecken, wie wir sie aus Berlin kennen. Dort herrscht Ordnung.
  4. Die Überwachung ist stärker als bei uns. Alle Naselang stehen Blitzer auf den Straßen und kontrollieren die Geschwindigkeit. Und zwar von hinten, denn in England ist der Halter beweispflichtig, falls er es nicht war. Auf der Autobahn werden auch Durchschnittsgeschwindigkeiten gemessen. Überall Parkplatzverbote. Zusätzlich zur Pkw-Maut für die Innenstadt, für die sämtliche Kfz-Schilder von in die Innenstadt einfahrenden Autos gescannt werden, wird jetzt eine Ökosteuer erhoben. Zusammen über zwanzig Pfund pro Tag, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Es gibt sogar ein Meßsystem für Autos, die unberechtigterweise auf Kreuzungen fahren, wo sie dann den Verkehr blockieren. Wer dort länger als fünf Sekunden steht, wird automatisch erfasst und muss eine hohe Strafe zahlen. Diese letzte Maßnahme ist die einzige Innovation aus dem Straßenverkehr, die ich für diskutabel halte, weil das Einfahren in bereits verstopfte Kreuzungen bei uns ein echtes Ärgernis darstellt. Alles andere löst bei mir das Grausen aus.
  5. Die britische Küche ist so, wie ich sie in Erinnerung habe. Das Frühstück war mit Speck, Bohnen, gebackenen Tomaten und riesigen Pilzen rustikal. Über den Rest wollen wir lieber schweigen. 
  6. Der Kampf gegen das Bargeld ist leider in einem viel fortgeschritteneren Stadium als bei uns. Am Bahnhof oder im Pub zahlen nur noch eine Handvoll Reaktionäre wie ich mit Bargeld. Für die Fahrt mit der Ubahn musste ich eine sogenannte Oystercard erwerben (fünf Pfund), die dann am Eingang an die Schranke gehalten wird. Genauso wird kontaktlos in der Kneipe bezahlt. In einem Lokal wurde ich sogar auf dem Deckblatt des Menüs aufgefordert eine App runterzuladen, um meine Bestellung online aufzugeben unter Angabe der Nummer des Tisches. Abrechnung erfolgt dann wohl auch über Paypal oder so. Was für ein Quatsch. Ich will mit einem Kellner reden und eine Bestellung offline aufgeben können!
Nur drei Automaten sind noch für Bargeldnutzer vorgesehen, alle anderen sollen unbar bezahlen

So habe ich London 2019 erlebt. Licht und Schatten. Einiges machen sie besser als wir. Aber vor allem die vorangeschrittene Multikulturalisierung und der damit einhergehende Identitätsverlust machen mir Sorgen. Die daraus resultierende Schaffung eines Überwachungsstaates mit Kameras an jeder Ecke, staatlichen Provokateuragenten und ohne Bargeld lehne ich genauso ab – und da frage ich mich, ob die Briten, vor allem die Konservativen, „1984“ von Georg Orwell nicht gelesen oder nur nicht verstanden haben? Es ist vielleicht die fehlende Erfahrung mit einer echten Diktatur (oder zweien), die die Engländer leichtsinnig ihre Freiheit auf dem Altar der (vermeintlichen) Sicherheit opfern lässt.  

Die Berliner AfD-Fraktion beteiligt sich nur an Ausschussreisen, sofern ein Nutzen für den Steuerzahler erkennbar ist. Abgeordnete sollen die Interessen der Bürger im Parlament vertreten. Für interessante Städtereisen werden sie nicht bezahlt. Daher haben u.a. die AfD-Mitglieder im Gesundheitsausschuss an der Athenreise und die Mitglieder im Bildungsausschuss an der nach Paris (beide 2018) nicht teilgenommen. Auch die Reise des Medienausschusses nach Cannes (2019) fand ohne AfD-Mitglieder statt. Die anfallenden Kosten (Flug + Übernachtung) blieben dem Steuerzahler erspart.