Georg Schneider* lebt in Angst. Er gehört aufgrund seines Alters und gleich zweier Vorerkrankungen zur Risikogruppe während der Covid-19–Pandemie. Doch Senat und Bezirksamt nehmen darauf keine Rücksicht. In Kürze wird einen Steinwurf entfernt von seiner Wohnung ein Heim für Corona-Asylanten eröffnet. „Die spielen mit meinem Leben“, fürchtet er.
Es ist unfassbar: Der Senat will ein ausrangiertes Asylbewerberheim wieder in Betrieb nehmen, um dort Asylbewerber in Quarantäne unterzubringen. Dabei verstößt er möglicherweise gegen gesetzliche Bestimmungen. Er ignoriert die Sorgen der Anwohner und – last but not least – die Bedürfnisse der in Quarantäne befindliche Asylbewerber!

Wir sprechen von der Unterkunft auf der Elisabethaue in Französisch-Buchholz (Pankow). Dort waren bis 2019 Asylbewerber zu horrenden Kosten untergebracht. Dann ist die Betriebsgenehmigung erloschen. So hat es mir der Senat selbst seinerzeit mitgeteilt:
Die aktuelle Baugenehmigung für den Tempohome-Standort Buchholzer Str. läuft am 31.07.2019 aus. Die Baugenehmigung wurde für drei Jahre ab Errichtung erteilt, der Baubeginn war am 01.08.2016. Eine weitere Nutzung auf dieser Grundlage wäre grundsätzlich nicht möglich. Gemäß Baugenehmigung muss nach deren Ende der Rückbau der Container erfolgen.
Drucksache 18/18377
Jetzt aufgrund der Corona-Krise eine plötzliche Kehrtwende. Von der erloschenen Betriebsgenehmigung will der Senat nichts mehr wissen. Statt dessen beruft er sich in einer Mitteilung auf das Polizeigesetz (Asog). Wie kann das sein? Zählt in diesem Fall nur das Interesse der Asylbewerber – und nicht das der Anwohner?
Ich habe einen Fragenkatalog an den Senat geschickt, der in wenigen Tagen beantwortet werden dürfte. Unter anderem frage ich nach dem Gesetz, das es dem Staat erlaubt, ein Containerdorf, dessen Betriebsgenehmigung abgelaufen ist, wieder mit neuen Insassen zu belegen? Welche Alternativen erwogen wurden? Wie lange dieser Zustand anhalten soll? Und vor allem: Was getan wird, um die Anwohner zu schützen?
Das ist der wichtigste Punkt. Die Befürchtungen der Anwohner sind nicht illusorisch. Zum einen überträgt sich das Virus auch über die Luft. Die Entfernung vom Heim zur Siedlung nebenan beträgt weniger als dreißig Meter. Es könnte also allein aufgrund der Nähe bei Westwind zu Anstecklungen kommen. Zur Info: In Deutschland ist Wind meistens Westwind. Es ist unwahrscheinlich, aber möglich. Erst recht gilt die Ansteckungsgefahr für Spaziergänger, spielende Kinder und so weiter, die der Unterkunft zu nahe kommen. So berichtete mir eine Frau, die mit ihrem Hund nebenan Gassi ging, die habe Angst, in Zukunft hier vorbeizugehen.
Zum anderen ist kaum davon auszugehen, dass sich die Insassen an die strikte Ausgangssperre halten werden. Der Zaun, der um das Dorf gebaut worden ist, ist schon jetzt an mehreren Stellen halb heruntergerissen. Denn: Die Asylbewerber, die sich von 2017 bis 2019 dort aufgehalten hatten, hatten nicht immer Lust, den langen Weg bis zum Ausgang zu nehmen und verkürzten den Weg nach draußen selbständig, indem sie über den Zaun kletterten. So weit, so menschlich. Seinerzeit waren in der Regel bis zu drei Wachleute vor Ort, die aber niemals die dreistellige Zahl von Bewohnern kontrollieren konnten. Es ist nicht bekannt, dass jetzt mehr Personal eingestellt werden soll. Und selbst wenn, wie sollen sie das bewerkstelligen? Zudem zeigen Beispiele aus anderen Städten, dass sich in Quarantäne befindliche Asylbewerber nicht unbedingt an die Regeln halten. Zwischenfazit: Wenn die Bewohner sich nicht daran halten wollen, dann wird es ein leichtes sein, die Regeln zu brechen.

Schließlich sind die Hygienemaßnahmen im Containerdorf unzulänglich. So ist der Wasserdruck niedrig. Aus den Hähnen kommt nur ein dünner Strahl Wasser. Wie sollen die in Quarantäne befindlichen Personen, die ja nicht unbedingt selbst infiziert sein müssen, für ihre eigene Hygiene sorgen? Es erscheint unverantwortlich, ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen, indem sie mit den wirklich Infizierten zusammengepfercht werden.
Kurzum: Diese Unterkunft ist aus mehreren Gründen ungeeignet für in Quarantäne befindliche Bewohner aller Berliner Asylbewerberheime. Warum werden sie nicht dorthin gebracht, wo keine Anwohner in Mitleidenschaft gezogen werden? Warum nicht beispielsweise in einen Hangar des Flughafen Tempelhof?
Georg Schneider klagt gegen die Wieder-Inbetriebnahme des Containerdorfs. Er handelt im Einvernehmen mit mehreren Nachbarn, von denen weitere zu Risikogruppen gehören. Ich unterstütze diese Klage und verlange vom Senat, dass er seinen Verstand einschaltet. Der illegale Weiterbetrieb des Asylantenheims in Französisch-Buchholz auf dem Rücken der Anwohner ist unverantwortlich und muss sofort gestoppt werden. Der Senat muss sich einen anderen Standort suchen. Wir wollen keinen Corona-Hotspot mitten in unserer Nachbarschaft!
PS: Auch das darf ich dem Leser nicht vorenthalten: Die letzten Bewohner sind ja erst 2019 ausgezogen. Danach kam die BSR mit großen Transportern und holte die wenig benutzten, erst 2016 oder 2017 eingebauten hochwertigen Küchen aus den Containern wieder ab. Viele machten nach Angaben von Anwohnern noch einen guten Eindruck. Sie wurden jedoch verschrottet, weil das Containerdorf ja abgebaut werden sollte. Es blieb aber stehen, und wurde nun – angesichts der Corona-Krise – wieder auf Vordermann gebracht. Der Senat hat auch schon neue Küchenmöbel spendiert. Sie wurde vor kurzem eingebaut. Alles vom Steuergeld der Berliner. Dieser Umgang mit den harte erarbeiteten Steuern der Bürger steht sinnbildlich für den Umgang mit ihren Rechten – der Senat verschwendet keine Sekunde damit…
*Name geändert
