Wenn das Kino um die Ecke schließt, wird es vermutlich nie wieder eröffnet werden. Kinobetreiber gehören in der Corona-Zeit zur Hochrisikogruppe. Filmfirmen, die insolvent sind, können sich vielleicht irgendwie retten. Schauspieler, Drehbuchautoren oder Locationscouts überstehen die schwere Zeit vermutlich auch. Es ist eine harte Durststrecke, aber nicht hoffnungslos.

Anders bei Kinos. Wenn die pleitegehen und schließen, dann ist es vorbei. Und bei einem Einnahmeverlust von 100 Prozent ist das leider ein realistisches Szenario. Im März wurden die Kinos dichtgemacht. Am 6. Juni sollen sie wieder öffnen. 

Screenshot vom Livestream der Sitzung (nicht mehr verfügbar)

Mit diesen und anderen Aspekten der Corona-Krise befasste sich heute der Medienausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses (Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf die Medienbranche). Es war für mich eine Premiere, weil ich erstmal seit Anfang März wieder an einer Ausschuss-Sitzung teilgenommen habe – und zwar unter Berücksichtigung der Abstandsregeln. Deswegen durfte nicht jeder Abgeordnete und Mitarbeiter dabeisein. Mein ausgezeichneter Kollege in dem Ausschuss Hugh Bronson war so wie ein Teil der Vertreter der anderen Fraktionen per Videokonferenz dazugeschaltet. Ebenso waren mehrere Experten nur auf der Leinwand zu sehen. Geht alles, wenn der Wille da ist. Ich denke, dass in solchen virtuellen Konferenzen ein großes Potential liegt, das wir bislang ungenutzt gelassen haben. Wie viele Dienstreisen können eingespart werden, wenn Bürger sich in einer Videokonferenz austauschen statt offline? Die Zeit, die dabei eingespart wird, kann anderweitig genutzt werden!

Ausschuss-Sitzung unter Corona-Bedingungen

Während der Anhörung trugen die Vertreter mehrerer Interessenverbände ihre Probleme vor. Die Kinobetreiber sind augenscheinlich am schwersten betroffen: Der Berliner Kinobetreiber Hans-Joachim Flebbe (Zoo, Astor) berichtete davon, dass bereits Tausende von Kinotickets für die Premiere des neuen James-Bond-Films verkauft worden seien, der dann nicht gezeigt werden konnte, weil die Kinos überall wegen Covid-19 geschlossen wurden. Neuer Filmstart soll im November sein. 

Der Unternehmer Flebbe verriet eine gesunde Einstellung zu Subventionen: „Ich habe es immer abgelehnt, staatliche Zuschüsse zu nehmen.” Er berichtete darüber, wie die Berliner Lokalbürokratie Kinobetreibern, die vorübergehend Autokinos errichten wollen, das Leben schwermacht („Auflagen wie beim Bau eines Atomkraftwerks“). Leider würden die Ämter ihre Macht voll ausspielen. 

Das deckt sich mit anderen Berichten über zähe Erteilung von Drehgenehmigungen, nicht zuletzt auch in Friedrichshain-Kreuzberg. Davon sind die Filmproduzenten betroffen, die teilweise nicht drehen konnten und Schwierigkeiten haben, die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. Darauf legten aber die Vertreter der Schauspieler besonderen Wert, der viel mehr Kontrollen forderte. was die SPD-Abgeordnete im Ausschuss dazu veranlasste, auf den Widerspruch zwischen den Anliegen der Produzenten und der Arbeiter hinzuweisen.

Es war das typische Stelldichein der Lobbyisten, die Unterstützung vom Staat (Protektion) suchen. Jeder will etwas anderes, stets sollen Dritte dafür aufkommen. Die Konsensparteien nicken gerne heftig und sagen jeder Gruppe alles mögliche zu. Ist ja nicht ihr Geld. Und keiner denkt an den gebeutelten Steuerzahler. Der Vertreter der Filmförderung verlangte Minimum fünf Millionen Euro extra.

Später wurde es richtig skurril. Eine Expertin sprach über die allgemeine Entwicklung der Medienbranche und ihr Steckenpferd: Diversity. Hohe Frauenquoten und Internationalität seien auch wichtige Dinge, um die Krise zu überwinden. Mein Lieblingssatz: “Es ist erschreckend, dass in so und so vielen Prozent aller Softwarefirmen keine Frauen arbeiten.” Ja, wirklich. Erschreckend. Ich bin jetzt total traumatisiert. Dazu präsentierten sie und ihre Partner veraltete Zahlen aus der Vor-Corona-Zeit. Meine Prognose: Diese ganzen rotgrünen Schönwetter-Themen spielen nun keine Rolle mehr, wenn es ums nackte Überleben geht. Es hat sich ausgegendert.  

Immerhin sprach sie auch von Start-ups, die nicht förderfähig sind und jetzt keine Unterstützung bekommen, weil sie jünger als drei Jahre sind. Andere Firmen wie die von Stefan Arndt (X-Film Creative Pool GmbH) sind nicht anspruchsberechtigt für den neusten Hilfsfonds, bei er nur acht statt zehn Mitarbeiter hat.

Das ist aus meiner Sicht typisch: Hilfsprogramme kennen nicht nur Gewinner. Subventionen sind sowieso Mist, weil wenige profitieren, aber alle zahlen müssen. Wenn dann noch die Regeln bewirken, dass die Hilfe nicht bei den Bedürftigen ankommt, dann wird am Ende das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war, erreicht. Das können wir nicht wollen. 

Ich bin daher gegen Subventionen mit der Gießkanne für die Branche. Gezielte Hilfe ja, wenn sie überschaubar ist: So hat Kinobetreiber Flebbe vorgeschlagen, dass der Senat für die Zeit des Shutdowns die Miete der Kinos übernimmt. Er konnte die Gesamtkosten beziffern: zwei Millionen Euro pro Monat. Es würde bei zwei Monaten bleiben, wenn der Senat den Mut hätte, die Kinos sofort wieder zu öffnen. Hygieneregeln müssen sein. Abstandsregeln auch, aber so, dass es sich rechnet für den Kinobetreiber. Dass nur jeder zehnte Platz besetzt wird, wäre sicher Quatsch. Das Geld sollte aus dem Etat des Medienboards Berlin-Brandenburg (Filmförderung) entnommen werden. Das würde die sicherlich treffen, aber wir müssen alle den Gürtel engerschnallen. So könnte eine zusätzliche Verschuldung verhindert werden.

Besuch des Spionagemuseums am Leipziger Platz

Letztlich liegt es an uns. Wir sind der Markt, der es regelt. Retten wir unsere lokale Kinolandschaft. 2020 kommen noch interessante Film raus wie Fast and Furious 9 oder Semper Fi. Und natürlich der neue Bond-Film Keine Zeit zu sterben (wie treffend im Zusammenhang mit diesem Blogbeitrag). Ich werde bestimmt auch in diesem Jahr nach Aufhebung der Corona-Einschränkungen nochmal Berliner ins Kino einladen. Wer mehr darüber erfahren will, trägt sich bitte in den Newsletter ein. Kein Spam, keine Werbung. Versprochen.

Besuch im Mauermuseum, Besichtigung eines Fluchtfahrzeugs

Diese Woche habe ich übrigens zwei Gruppen ins Spionage- und ins Mauermuseum eingeladen. Auch hier, um meinen Beitrag zu leisten, dass das kulturelle Leben in unserer Stadt wieder auf die Beide kommt. Es war gespenstisch: Im Mauermuseum waren wir mutterseelenallein. Im Spionagemuseum einen Tag später waren nur sehr wenige Leute. Die Gründe liegen auf der Hand: Keine Touristen, keine Gastronomie und vermutlich auch  zu wenig Information. Deswegen meiden die Leute solche Orte. Noch.

Hoffentlich kommen sie bald wieder. Ich kann nur an jeden Berliner appellieren: Sehen die die leeren Museen auch als Chance, endlich mal ohne Touristenansturm und Getümmel diese Museen aufzusuchen. Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung ist das Mauermuseum wichtiger denn je, denn die jungen Leute wissen immer weniger von Teilung und SED-Unrecht. Auch das Spionagemuseum ist ein spannender Ort, um jungen Leuten Geschichte nicht zuletzt auch über die jüngere deutsche Vergangenheit näherzubringen. Es lohnt sich.