Markus Beckedahl, Quelle: Wikimedia/Gregor Fischer/ re:publica – re:publica 18 – Day 1 mit CC2-Lizenz https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen, weil der Staat die Medien im Internet noch stärker regulieren wird als bisher. Sie wird Lizenzen vergeben und damit die Macht haben, erfolgreiche Youtuber und andere Blogger mundtot zu machen. Grund genug, hinter die Kulissen zu schauen. Dort befindet sich eine Melange aus roter Propaganda, grünem Filz und Postenschieberei. 

Kapitel zwei: Grüner Filz im Medienrat?

Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) ist keine Zensurbehörde. Wobei der Name Landesmedienanstalt aufhorchen lässt: Wozu benötigt ein Land mit staatlich garantierter Pressefreiheit eine Aufsichtsbehörde für Medien? Die Antwort ist einfach: Solange es nur eine begrenzte Anzahl an Rundfunkfrequenzen gibt, musste die jemand verwalten. Die Medienanstalten vergeben die Sendelizenzen für klassische Fernseh- und Rundfunksender. Das ist ihre originäre Aufgabe. Dafür müsste ein zuständiges Gremium vielleicht zweimal im Jahr zusammenkommen. Ein Büro mit zwei bis drei Angestellten könnte die dazugehörige Arbeit bewerkstelligen. Denn: Die meisten Lizenzen sind vergeben, der Markt ist zu. Es kommen nur selten neue Anbieter hinzu. Ebenso selten scheiden welche aus. Eigentlich keine große Sache. 

Aber so geht das natürlich nicht. Behörden jeglicher Art haben den Drang, sich selbst immer neue Aufgaben zu suchen, wenn sie nicht ausgelastet sind. Und Politiker aller Couleur definieren auch gerne neue Aufgaben, die sie bestehenden Behörden zuschustern, damit sie dort ihre Buddys unterbringen können. So funktioniert der moderne westliche Sozialstaat. Kann von A wie Arbeitsamt bis Z wie Zoll in Bezug auf etliche staatlichen Institutionen durchdekliniert werden.

So auch die nach eigener Auffassung „staatsfernen“ Landesmedienanstalten, die durch einen festen Anteil (1,8989 Prozent) am steigenden Rundfunkbeitragsaufkommen der Bürger finanziert werden – das entspricht rund 150 Millionen Euro pro Jahr. Davon entfielen 2018 7,3 Millionen Euro auf die MABB, die inklusive Alex TV 38 Mitarbeiter hat.

Die Lizenzvergabe ist auch bei der MABB nur noch eine von vielen Aufgaben. Zusätzlich ist sie inzwischen für Jugendschutz, Programmbeschwerden oder die Bildung von Medienkompetenz zuständig – und sie betreibt jenen Sender Alex, bei dem Antifa-Rapper*Innen zu Gastauftritten eingeladen werden. Früher hieß er Offener Kanal. Solche offenen Kanäle gab es in vielen Städten seit den 80er Jahren. Dies sollte im Vor-Internet-Zeitalter Bürgern die Möglichkeit eröffnen, ein eigenes Programm zu erstellen. Dort lief aber immer nur Quatsch, deswegen gab es nie eine Sendung mit nennenswerter Einschaltquote. Diese Projekte hätten längst abgewickelt gehört, da heute jeder ohne eigenes Studio mit seinem Smartphone zum Superstar avancieren kann. Es gibt keinen Grund ein solche, teure Infrastruktur aus Zwangsgebühren weiter zu finanzieren. Kann weg.

Doch das passiert nicht – auch wegen der Leute, die diese Institution kontrollieren (sollen). Das Abgeordnetenhaus und der Brandenburger Landtag wählen jeweils vier Personen in den Medienrat und mit Zweidrittelmehr einen Medienratsvorsitzenden, der das Beschlussgremium leitet. 

Eines der derzeit sieben (demnächst: neun) Aufsichtsratsmitglieder ist der auf Vorschlag der Grünen 2010 erstmals gewählte Markus Beckedahl. Er steht im Verdacht, seine Stellung für einen privaten Vorteil zu nutzen und sich an Zwangsbeiträgen zu bereichern. Denn er sitzt in einem Gremium, das ihm Zugang zu Fördermitteln verschaffen könnte. Er kontrolliert also Dinge, die ihm selbst nutzen.

Der Reihe nach: Beckedahl ist Chefredakteur der Webseite netzpolitik.org, die sich mit Themen wie Datenschutz, Überwachung oder Urheberrecht befasst. Die Webseite wird überwiegend aus Spenden finanziert. Für dieses Jahr rechne die Redaktion mit einer Dreiviertelmillion Euro, heißt es in einer Mitteilung. Seine Expertise sichert Beckedahl regelmäßige Auftritte in etablierten Medien.

Gleichzeitig ist Beckedahl einer von zwei Inhabern einer Firma namens Newthinking Communications. Diese macht beispielsweise für Parteigliederungen der Grünen die Internetauftritte. Auf der Unternehmenswebseite werden unter anderem die Verbände von Schleswig-Holstein, Hannover und Berlin als Referenzkunden genannt. Beckedahl und sein Kompagnon kennen sich vermutlich von den Grünen in NRW, wo sie beide Mitglieder waren. Die Firma Newthinking Communications wiederum ist Mitinhaber der Republica GmbH, die die jährliche Messe gleichen Namens ausrichtet. 

Diese staatsnahe völlig unabhängige Messe pflegt nach eigener Aussage unter anderem beste Kontakte zu staatlichen Behörden Institutionen wie Ministerien, Telekom, Deutsche Bahn, den steuerfinanzierten politischen Stiftungen von Konrad Adenauer bis zu Friedrich Ebert und Heinrich Böll, den GEZ-Sendern wie ARD, ZDF, RBB oder WDR und weiteren Regierungsorganisationen. An anderer Stelle werden u.a. auch die Amadeu Antonio Stiftung, die Hans-Böckler-Stiftung, Wikimedia, Amnesty International, die EU, das EU-Parlament, Bundesländer wie Thüringen, Berlin und Baden-Württemberg oder die Bundeszentrale für politische Bildung als Partner genannt. Dieses Who is who der Macht in Deutschland Sammelsurium unabhängiger und staatsferner Institutionen ist bestimmt Garant für eine Finanzierung aus privaten Mitteln, oder? 

Nicht ganz. Seit 2014 gibt es laut der Republica-Eigenwerbung eine „enge Zusammenarbeit“ mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg (staatliche Filmförderanstalt, 45 Mitarbeiter, Jahresbudget 26 Millionen Euro) und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg bei der Organisation der jährlichen Media Convention. Diese Media Convention ist eine weitere Messe, die von den drei genannten Institutionen (Medienboard, MABB, Republica) zusammen ausgerichtet wird. 

2019 traten auf der Messe unter anderem die RBB-Chefin Patricia Schlesinger und der Regierende Bürgermeister Michael Müller auf. Diskutiert wurde über u.a. Gender-Fragen, über „Rassismus, Sexismus und andere Diskriminierungssysteme“ oder darüber, wie schädlich Meinungsfreiheit angeblich ist bzw. war. („‘Free Speech‘ war die Maxime, unter der Hass, Hetze und Propaganda auf den Plattformen florierten“).

Die Kosten für die Media Convention 2019 betrugen laut einer Senats-Auskunft 614.000 Euro. 130.000 Euro wurden vom Medienboard übernommen – ein weiterer, noch nicht bekannter Betrag hingegen von der Medienanstalt und den Sponsoren. Aus dem Bericht des Wirtschaftsprüfers für 2019 geht zumindest „eine erste Zahlung“ in Höhe von 61.000 Euro im Jahr 2019 zugunsten der Media Convention hervor (Seite 6). Eine entsprechende Anfrage an die Medienanstalt, die mehr ans Tageslicht bringen dürfte, läuft. 

Nebenbei: Diese Informationen erfährt der Berliner nicht durch die Beteiligten selbst. Das normalerweise um Transparenz bemühte Medienboard listet die Beträge zugunsten der MediaConvention NICHT auf ihrer Webseite aus. Die oben genannten Beträge kamen erst durch die Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr ans Licht.

Zurück zu Markus Beckedahl: Er hat keinen direkten Einfluß auf die Entscheidung über die Mittel des Medienboards, aber auf jene der Medienanstalt. Wie eng die weitere Zusammenarbeit von Medienboard, Medienanstalt und Republica genau ist, ist noch nicht ganz klar. Augenscheinlich treten Vertreter der Medienanstalt bei Republica-Konferenzen reihenweise als Redner auf. Oder hier. Die Direktorin der Medienanstalt hatte gleich vier Auftritte auf der Konferenz im Mai 2019. 

Die Medienanstalt ist in die Programmgestaltung involviert, also Mitveranstalter. In einer Mitteilung zur neuen Media Convention 2020 heißt es: „Auch in diesem Jahr verantwortet die Medienanstalt Berlin-Brandenburg den medien- und netzpolitischen Programmteil der Convention.“ Der Medienanstalt verschafft Beckedahl aber auch einen zusätzlichen Zugang zum Geld, und zwar indirekt: Die Zusammenarbeit dürfte sich damit für die Republica endgültig finanziell lohnen

Das Medienboard Berlin-Brandenburg (MBB) veranstaltet die MEDIA CONVENTION Berlin (MCB) zum siebten Mal in Kooperation mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und der re:publica im Auftrag der Länder Berlin und Brandenburg. Die Teilnehmer*innen können mit einem Ticket beide Veranstaltungen besuchen. 

Also in Klartext: Jemand kauft bei der Republica ein Republica-Ticket (Preis bis zu 735 Euro) und bekommt als flotte Zusatzleistung eine Einladung zur Media Convention. Deren Programm wird über Steuern/Zwangsbeiträge finanziert. Der geldwerte Vorteil läßt sich für den Außenstehenden schwer beziffern, aber der Beihilfecharakter ist unübersehbar: Die Republica macht doppelt Kasse, da sie die Leistungen der Media Convention mitverkauft, aber nicht finanzieren muss. Wer sehen will, der sieht, dass hier eine Form der Quersubventionierung vorliegt. Es wäre die Aufgabe des Medienrats solche Geschäfte genau zu untersuchen – und genau deswegen ist die Zugehörigkeit von Markus Beckedahl zu diesem Gremium fragwürdig, selbst wenn der Löwenanteil oder sogar der gesamte Anteil der Gelder, die in die Finanzierung der Republica fließen, vom Medienboard kommt – und nicht von der Medienanstalt. 

Darüber hinaus zapft die Republica GmbH gelegentlich auch andere staatliche Quellen an. So tauchte sie 2015 und 2016 insgesamt dreimal in der Zuwendungsdatenbank des Landes Berlin auf. Als Profiteur von Subventionszahlungen für eine Kunstmesse und zwei Musikmessen. In der Summe kassierte sie damals 210.000 Euro, der größte Teil davon aus Mitteln der Klassenlotterie. Zudem erhielt Beckdahls Firma Newthinking Communications 70.000 Euro für die Ausrichtung der Torstraßenfeste in den Jahren 2014 bis 2016.

Es gibt weitere Auffälligkeiten. Beckedahls Geschäftspartner ist Johnny Haeusler. Beiden gehört über Beteiligungen die Republica GmbH. Haeusler erhielt vom Medienboard 2019 50.000 Euro für die von ihm geleitete Firma Tincon, die eine weitere Messe gleichen Namens veranstaltet, die neuerdings übrigens auch in die Republica eingegliedert wird. Zielgruppe: junges Publikum. Teilnehmer konnten dort u.a. mehr über Feminismus und Transgender erfahren oder darüber, dass die Klimabewegung recht hat. Und natürlich darf bei solchen Treffen Luisa Neubauer nicht fehlen. Dafür werden Steuergelder  aufgewendet. Übrigens wurde Tincon vom Land Berlin auch schon 2016 mit 12.000 Euro für eine Internetkonferenz gefördert.  

Zusammenfassung: Steuer- und Rundfunkbeitragszahler finanzieren über mehrere Umwege die Aktivitäten des Unternehmers Markus Beckedahl. Er sitzt in einer Schlüsselstellung bei der Landesmedienanstalt, deren Sender Sängerinnen mit Antifa-Fahne auftreten läßt. Auf den Konferenzen, die Beckedahl ausrichtet wird vorzugsweise über Themen wie Klimawandel und Rassismus diskutiert. Nebenbei: Für seine Medienratstätigkeit kassierte er obendrein 2019 13.293 Euro.

Verstößt das nicht alles gegen Regeln? Neudeutsch ausgedrückt: Was ist mit Compliance? Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO hat die Geschäfte der Medienanstalt 2019 untersucht und keine Regelverstöße festgestellt. In ihrem 102seitigen Papier haben die Prüfer sich mit möglicher Vetternwirtschaft im Jahr 2018 befasst. Sie schreiben: 

Ein System, das speziell der Korruptionsprävention dient, ist nicht eingerichtet. Dennoch gibt es verschiedene festgelegte Maßnahmen, die zur Vorkehrung dienen, insbesondere Verfahren zur Vergabe von Fördermitteln und Zuwendungen sowie Verfahren im Beschaffungsbereich sowie die Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips.  Die Prüfung der Angemessenheit oder der Wirksamkeit der eingerichteten Maßnahmen war nicht Gegenstand unserer Prüfung. 

BDO-Gutachten von 2019 

Also: Spezielle Korruptionsprävention gibt es nicht, aber „festgelegte Maßnahmen“. Ich hätte gerne gewusst, welche das sind. Daher warte ich noch auf die Entbindung des Gutachters von seiner Schweigepflicht, die die Medienanstalt auf meine Bitte hin bislang nicht erteilt hat.  Vermutlich konnten die Gutachter die mögliche Überkreuz-Subventionierung durch das Medienboard nicht gleich erkennen, auch nicht bei einer genaueren Prüfung. 

Was sagt der Senat dazu? Er verweist auf die Eigenangaben der MABB

„Nach Angaben der mabb haben mit Medienräten verbundene private Unternehmen keine Zuschüsse beantragt oder erhalten.“ 

Drucksache S18-23093

Das ist offenbar unzutreffend.

Was sagt der Medienstaatsvertrag dazu, der die Arbeit der Medienanstalt regelt? Dort heißt es in §11.4:

„Mitglied des Medienrats darf nicht sein, wer in sonstiger Weise einem Rundfunkveranstalter wirtschaftlich verbunden oder von ihm abhängig ist.“

Medienstaatsvertrag (MStV)

Warum steht das da? Weil diejenigen, die die Frequenzen vergeben, nicht in die eigene Tasche wirtschaften können sollen. Wenn sich nun die Medienanstalt neben Rundfunkfrequenzen und Jugendschutz plötzlich regelmäßig mit Konferenzen befasst, ja zum Konferenzveranstalter mutiert, dann ist klar, dass sie auch keine Konferenzveranstalter in ihrem Medienrat dulden kann – schon gar nicht, wenn es sich dabei um ein- und dieselbe Konferenz handelt. 

Vielleicht ist das, was ich dargelegt habe, unter kaufmännischen wie juristischen Gesichtspunkten gerade noch legal. Doch wo Rauch ist, da ist meistens auch Feuer. Politisch halte ich Markus Beckedahl für ungeeignet für das Amt eines Kontrolleurs der Medienanstalt. Die Versuchung sein Amt zu nutzen, um seinen Geschäftsinteressen zu dienen, ist zu groß. Er darf vom Berliner Abgeordnetenhaus nicht wiedergewählt werden. Hilfsweise müssten alle Transaktionen von Medienboiard und Medienanstalt zugunsten seiner Firmen und Vereine (Newthinking Communications, Digitale Gesellschaft,  netzpolitik.org, Republica GmbH und ihm persönlich gegenüber, sofern sie die Kompensation als Medienratsmitglied überschreiten) offengelegt werden. 

Der gute Ruf der Medienanstalt Berlin-Brandenburg muss gewahrt bleiben. Das gilt nicht zuletzt deshalb, weil auf diese Institution demnächst möglicherweise neue, wichtige Aufgaben zukommen. Davon mehr im dritten und letzten Kapitel, das morgen erscheint.

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