„Relevante Informationen zu veröffentlichen, damit sich die Öffentlichkeit über das Geschehen in ihrer Welt informieren kann, ist Journalismus.“

Caitilin Johnstone (Freiheit für Julian Assange)

Darf der Staat gegen Journalisten vorgehen, die auf ihrer Internetseite Skandale aufdecken? Darf er die Impfdaten der Bürger erfassen? Oder Informationen zu ihrem Erbgut? Und soll er für Enteignungen noch mehr Daten über die Berliner sammeln können?

Parlamentsrede zum Konflikt zwischen Pressefreiheit und Datenschutz (2018)

Mit solchen und anderen Fragen befassen sich Datenschutzgesetze. Wegen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU von 2016 werden jetzt viele deutsche Gesetze überarbeitet. In Berlin wurde jetzt ein Datenschutzanpassungsgesetz (wichtiger Hinweis: dieser Entwurf ist NICHT 100%ig identisch mit der beschlossenen Fassung) durchgeboxt, das die oben genannte Fragen leider alle falsch beantwortet. Leider erfahren die Bürger davon nichts, weil das Parlament das Thema klammheimlich durchgewunken hat und die Medien darüber nicht berichten. Eine für Donnerstag, den 17. September 2020, angesetzte Plenardebatte im Berliner Abgeordnetenhaus fand nicht statt, weil die Parteien das Thema nicht für wichtig genug hielten. (Nachträglich ärgere ich mich, dass wir es nicht getan haben.)

Hier die wichtigsten Fakten zum Gesetz:

  1. Im Prinzip ist das Gesetz notwendig. Auch wenn ich die DSGVO ablehne, so ist sie nunmal da. Die Bundes- und Ländergesetze müssen an sie angepasst werden. Das ist im Falle des Datenschutz-Anpassungsgesetzes auch geschehen. Darüber hinaus wurden sprachliche Änderungen vorgenommen wie die Umstellung auf neue Rechtschreibung und Gendergaga. Sowas wie „der Benutzer“ wird ersetzt durch „die Benutzerin oder der Benutzer“. Eine vollkommen überflüssige Aufblähung von Texten im Namen des Feminismus, weil sich einig wenige Frauen durch die herkömmliche Schreibweise angeblich diskriminiert fühlten. Eine Kollegin im Ausschuss (SPD-Fraktion), die selten sachliche Wortbeiträge liefert, hat sich sogar beim Vorsitzenden darüber beschwert, dass ich das Wort Gendergaga in diesem Zusammenhang verwendet hatte. Wie wäre es auch noch mit Denkverboten?
  2. 2018 ist die DSGVO in Kraft getreten. Statt es gleich zu machen, hatten sich die Regierungsparteien offenbar eine Frist bis 30. Juni 2020 gesetzt, um dieses Anpassungsgesetz zu beschließen. Diese Frist haben sie nun gerissen. Deswegen wurde es nu schnell durchgeboxt. Deswegen durfte die Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk in der Ausschuss-Sitzung am 14. September ihre Einwände nicht vollständig vortragen (ab 2.52.40). Deswegen wurde das Gesetz in Lichtgeschwindigkeit als dringlich auf die Tagesordnung gesetzt. Der ganze Vorgang zeigt, wie stümperhaft der Volksfront-Senat und die ihn tragenden Parteien handeln.
  3. Im Bundestag wurde ein ähnliches Gesetz in der letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause um 1.30 Uhr morgens durchgewunken. Dieser Vorgang erhielt eine gewisse Bekanntheit, weil unsere Leute die Stimmberechtigung überprüfen lassen wollten (Sind noch genug Abgeordnete dabei?). Dies wurde von der Bundestagsvizepräsidentin einfach verhindert, was dann einige Schlagzeilen produziert hat.

Was mir am Gesetz nicht gefällt:

  • Artikel 19 bezieht sich auf das Gesundheitsdienste-Gesetz. Der neue §9a erlaubt den Gesundheitsämtern die Erhebung personenbezogenener Daten zum Impfschutz. Auch ein Datenaustausch mit den Krankenversicherungen der Bürger soll möglich werden.
  • Der Artikel 20  bezieht sich auf das Rettungsdienstgesetz. Eine Regelung besagt, dass Notrufdaten 10 Jahre gespeichert werden sollen. Das ist eine Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür, die ich nicht will.
  • Im Artikel 21 geht es um das Krankenhausgesetz. Darin regelt § 25 die bestimmte Verarbeitung von genetischen Daten. Hier soll ein Interessensabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Patienten und dem „berechtigten Interesse der Allgemeinheit an der Durchführung des Forschungsvorhabens“ stattfinden. Ich finde: Mit Blick auf die deutsche Vergangenheit gibt es gute Gründe, dass der Staat nicht zu viele Kompetenzen dieser Art erhält. Ein Einwilligungsverfahren wäre besser.
  • Artikel 38 schließlich bezieht sich auf das Berliner Pressegesetz: Die Journalistenverbände und der Verlegerverband haben dem Senat 2018 in trauter Einigkeit eine passende Formulierung vorgeschlagen. Doch der Senat hat diesen Vorschlag in den Papierkorb befördert und selbst etwas getextet. 
  • 2018 waren die Regierungsparteien weiter und haben nach der Kritik im Ausschuss darauf verzichtet, Journalisten nach „echten“ (also Mainstream-Journalisten, die sich dem Pressekodex unterwerfen) und „unechten“ (die das nicht tun) zu unterscheiden. Also genauer gesagt: Sie hatte es erst vorgeschlagen und dann wieder kassiert, nachdem ich das moniert hatte. (Möglicherweise haben andere das auch noch getan.) Jetzt kommen die Regierungsparteien wieder mit einer solchen Formulierung, die das sogenannte Medienprivileg nur den Mainstreammedien einräumt. Blogger und Youtuber müssen damit rechnen, mit den Mitteln des Datenschutzes einen Maulkorb zu bekommen.
  • Auskunftsrechte von Hinz und Kunz gegenüber Journalisten sind obszön. Dass Datenschützer eine Kontrolle über freie Journalisten ausüben, ist mit uns nicht zu machen. Wir wollen die Privilegien, die für Journalisten beim Spiegel oder beim RBB gelten, auf Blogger und Youtuber ausweiten. Wir brauchen mehr Presse- und Meinungsfreiheit in Deutschland – und nicht weniger.
  • Artikel 29 befasst sich mit dem Berliner Enteignungsgesetz: Der neue § 5 soll der Enteignungsbehörde erstmals Recht zur Verarbeitung personenbezogener Daten „zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben oder in Ausübung öffentlicher Gewalt“ geben. Das ist wirklich das Letzte!
  • Kurz vor Verabschiedung erhielten wir Abgeordnete noch Hilferuf der Krankenhäuser. Sie dürfen künftig keine Firmen mehr mit der Verarbeitung von Daten betrauen. Das stellt einen großen wirtschaftlichen Nachteil dar, den die Beitragszahler bald zu spüren bekommen werden. Ich fand die Einwände der Krankenhausbetreiber berechtigt, konnte sie aber auch nicht mehr vorbringen oder durch einen Änderungsantrag unterstützen (der dann sowieso von den anderen Parteien aus lauter Borniertheit – wie immer – abgelehnt worden wäre.)
  • Der ganze Vorgang zeigt einmal mehr, dass die DSGVO ein bürokratisches Monster ist. Demnächst droht mit der e-Privacy-Verordnung die nächste bürokratische Großtat Brüssels. Wer stoppt diesen Wahnsinn? 
  • Bei der Durchsicht der vielen Gesetze ist mir aufgefallen, dass viele auf den Prüfstand gehören: brauchen wir die wirklich alle noch? Brauchen wir wirklich ein Marktüberwachungsverordnungs-Durchführungs-Gesetz für Bauprodukte? Darüber sollte in Zukunft mal diskutiert werden. 

Diesem Gesetz jedenfalls konnten wir nicht zustimmen.