Wenn es einen Nobelpreis für Bürokratie gäbe, würde er oft nach Deutschland gehen.

Chemie-Nobelpreisträger Richard R. Ernst laut Tagesspiegel-Checkpoint (28.3.2022)

Kaum dem Krieg entkommen lernen viele ukrainische Flüchtlinge jetzt die weniger schönen Seiten der deutschen Bürokratie kennen. Folgender Fall hat sich zugetragen: Eine Ukrainerin ist mit ihren Kindern und ihrer 13jährigen Nichte nach Deutschland gekommen, lebt jetzt in Brandenburg bei großartigen Leuten. 

Bei der Registrierung hatten deutsche Bürokraten nichts Wichtigeres zu tun, als die Vormundschaftsfrage zu klären: Die Tante hat formal keine Vormundschaft über ihre Nichte, deren Eltern in der Ukraine geblieben sind. Obwohl sie zusammen gereist sind und die Nichte einverstanden damit ist, dass ihre Tante vorübergehend ihre Erziehungsberechtigte ist. Obwohl eine echte Ausnahmesituation herrscht.

Nein, für deutsche Staatsbedienstete reicht das nicht! Es wurde das Jugendamt hinzugezogen, und nun wird wohl ein Familiengericht entscheiden, dass die Tante nach deutschem Recht die Aufsichtsperson für ihre Nichte ist. Und wir wundern uns, dass die deutsche Justiz chronisch überlastet ist? Kann der Staat nicht – wenigstens vorübergehend – die Dinge klären, auf die es wirklich ankommt? Was ist mit Strom und Benzin? Werden wir im nächsten Winter frieren? Kosten Super bald 2,50 Euro pro Liter? Wann ist die Bundeswehr wieder so einsatzbereit, dass sie eine Abschreckung darstellt und kein Witzfigurenkabinett? Wie werden Versorgungsprobleme unterbunden? Wie verhindern wir, dass Trittbrettfahrer aus der Dritten Welt die Ukraine-Krise zum Anlass nehmen illegal bei uns einzuwandern? Zu tun gäbe es genug.

Stattdessen reißen die Geschichten über die Behinderung freiwilliger Helfer und privater Initiativen nicht ab. So sollen Fahrer, die Flüchtlinge vom Bahnhof zu ihrer Unterkunft bringen, nun einen P-Schein vorlegen. Die private Bettenbörse wurde wegen Datenschutzverstößen gleich ganz untersagt. Wer eine Wohnung anbietet sollte sich zunächst sogleich für zwei Jahre (!) dazu verpflichten. (Diese Regel wurde auch sechs Monate gesenkt.) Oder besonders ärgerlich: Der Fall der Ukrainer aus Lichtenberg, die bereits privat untergebracht worden sind und nun doch wieder abreisen müssen. Der Tagesspiegel-Checkpoint berichtet darüber:

120 Menschen aus der Ukraine müssen heute ab 8.30 Uhr Hals über Kopf ihren Zufluchtsort (‚Hostel Generator‘ in Lichtenberg) wieder verlassen – der Krisenstab in der Sozialverwaltung will sie gegen ihren Willen auf andere Bundeländer verteilen, und zwar bürokratisch-korrekt ‚in Anwendung des Königsteiner Schlüssels‘. Mitgeteilt wurde den Geflüchteten lediglich, dass sie von einem Bus-Shuttle abgeholt werden, das Ziel (nach der Übergangsstation TXL): unbekannt.

Tagesspiegel-Checkpoint, 28.3.2022

Alle Versuche, die Verwaltung umzustimmen, auch ein einstimmiger Beschluss des Petitionsausschusses, haben nichts bewirkt. Schade.

All diese Beispiel zeigen, dass der Senat mit der Situation überfordert ist und mal wieder die falschen Prioritäten setzt. Private Hilfe ist oft allemal effektiver. Und die Bereitschaft dazu ist riesig! Ich war neulich dabei, als mehrere Familien in Brandenburg eine Zuflucht fanden und bei deutschen Familien in einer Kleinstadt verteilt wurden. Ein Berliner, der zufällig vorbeikam, als die Ukrainer vor einem Einfamilienhaus standen, griff in die Tasche und steckte jeder der Frauen (es waren nur Frauen und Kinder) je 20 Euro in die Hand. Er wolle helfen, sagte er auf Nachfrage und verschwand. So etwas habe ich selten erlebt. Es ist symptomatisch für die große Anteilnahme.

An der polnisch-ukrainischen Grenze wird der Lkw mit Hilfsgütern für Wolhynien beladen

Ich selbst habe ein wenig mithelfen dürfen, einen Hilfstransport nach Wolhynien (Region nördlich von Lemberg) auf den Weg zu bringen. Er hat in der vergangenen Woche u.a. Medikamente im Wert von 15.000 Euro und Lebensmittel geliefert. Leider konnte ich bei der Übergabe nicht selbst dabei sein. Großer Dank geht an die Aktion Menschen in Not der Deutschen Konservativen aus Hamburg, die dieses Projekt möglich gemacht haben.

So geht Hilfe. Dafür brauchen wir keinen Staat, der erstmal das ganze Land mit seiner energiesaugenden Bürokratie überzieht, die Leute wie Zitronen auspresst und dann hinterher ineffektiv hilft, beziehungsweise die Hilfe zielgerichtet in die falsche Richtung lenkt. 

Anne Funk (Mitte) mit ihren Mitbewohnern Svetlana und Julia

Danke an alle, die helfen. Sei es durch eine Geld- oder Sachspende. Oder durch Unterstützung von Flüchtlingen, wo immer ihnen welche begegnen. Oder wie meine Parteifreundin Anne Funk, die sogar vorübergehend zwei Ukrainerinnen bei sich aufgenommen hat.