
Die Personalie Schlesinger zeigt nur ein Symptom.
Olaf Sundermeyer, Der Journalist 10/22
Derzeit läuft wieder die große Betteltour der öffentlich-rechtlichen Sender. Bis zum April durften sie eine Wunschliste verfassen. Jetzt entscheidet die regierungsnahe superunabhängige „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ (kurz: KEF) über den neuen Rundfunkbeitrag für die vierjährige Periode ab 2025. Mit einem Vorschlag ist Anfang 2024 zu rechnen.
Danach wird das Ergebnis in einen Medienstaatsvertrag gegossen, dem alle Länder zustimmen müssen. Tun sie es nicht, ist die Erhöhung eigentlich gescheitert. Außer: Das Bundesverfassungsgericht kommt wie 2021 mit einer Entscheidung um die Ecke, die den Sendern doch mehr Geld zuspricht.
Als Begründung für diese Art der Finanzierung durch einen Zwangsbeitrag wird stets die behauptete Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender angeführt. Dabei wachsen die Zweifel daran von Jahr zu Jahr.
Denken wir nur an die jüngsten Enthüllungen von Günther Jauch, der in einem vielbeachteten Interview kürzlich preisgab, wie Rheinland-Pfalz‘ Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) nach einem Jahresrückblick im ZDF nach Wiedergutmachung verlangt hat, weil er seltener als sein CDU-Kontrahent eingeblendet worden war.
Statt diese freche Forderung zu ignorieren, handelte der damalige Verantwortliche beim ZDF einen Deal aus, wonach Beck sich mehrere Auftritte im Heute-Journal aussuchen konnte, bei denen er zu einem Thema seiner Wahl sprechen durfte. Und das sollen unabhängige Medien sein? (Das Video ist weg, aber zu viele haben es vorher schon gesehen.)

Diese parteinahe Haltung spiegelt sich in der Berichterstattung oder der Besetzung politischer Talkshow-Runden wider. Kein Wunder, dass die AfD so gut wie nie eingeladen wird, wenn die Senderchefs von den Seilschaften der länger dort sitzenden Parteien in den Rundfunkräten ausgekungelt werden.
Auch Top-Manager wie Steffen Seibert oder Ulrich Wilhelm sind der lebende Beweis dafür, dass es mit der Unabhängigkeit der Sender von der Regierung nicht weit her ist. Wilhelm wurde BR-Intendant, nachdem er für Angela Merkel als Regierungssprecher gearbeitet hatte. Seibert kam vom ZDF-Heute-Journal (also von denen, die Kurt Beck die Extrawurst gebraten haben, s.o.) und wurde Pressesprecher der Regierung Merkel, als Wilhelm ging.
Wir brauchen eine Brandmauer!
Mit anderen Worten: Es gibt eine Drehtür zwischen Topjob in Regierung und Rundfunkanstalt. Aber die darf es nicht geben. Wie soll ein Redakteur beim ZDF hart mit dem Regierungssprecher ins Gericht gehen, wenn er fürchten muss, im kommenden Jahr genau diesen Mann als Boss zu haben? Wir brauchen mutige und respektlose Medien, die denen da oben hartnäckige Fragen stellen und sie bloßstellen, wenn sie das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes mit Füßen treten. Daher brauchen wir eine Brandmauer zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk und der Regierung.
Womit wir beim RBB sind. Die neue Intendantin Ulrike Demmer hat eine beachtliche journalistische Karriere hinter sich. Leider gehören auch fünf Jahre als Sprecherin der letzten Bundesregierung unter Angela Merkel dazu (auf dem SPD-Ticket). Frau Demmer war also wie Wilhelm Regierungssprecherin und ist jetzt Intendantin. Sie setzt sich gegen eine Reihe guter Kandidaten durch, die alle aussortiert wurden oder freiwillig hinwarfen.
Diese verkorkste Intendantenwahl ist nur das jüngste Kapitel in der nicht abreißenden Kette von Hiobsbotschaften aus dem RBB. Die vielen Verfehlungen von den kriminellen Machenschaften der Chefetage (gegenseitiges Zuschanzen höchstdotierter Jobs) über das Digitale Medienhaus (unnötig, zu teuer) bis hin zum Einfluss der Politik auf das Programm (Ministerpräsident Dietmar Woidke soll zuweilen persönlich eingegriffen haben) müssen aufgeklärt werden. Was wusste der Senat von der Selbstbedienung der Chefetage? Wer nahm an den Dinnerpartys auf Beitragszahlerkosten teil? Warum stiegen die prognostizierten Baukosten immer weiter? Wem nützten die lukrativen Beraterverträge?
Leider sind die anderen Parteien nicht an einer Aufklärung interessiert. Unseren Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus wurde abgebügelt. Leider.
In Brandenburg ist die AfD so stark, dass ihr niemand die Einsetzung eines solchen Gremiums verweigern kann. Das zeigt, dass nur eine starke Opposition in der Lage ist, die Mißstände in unserem Land aufzuklären.
Unterstützen Sie uns und die freien Medien, wie und wo immer Sie können. Nur wenn wir den Druck aufrechterhalten, besteht die Chance, dass die Zustände beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk sich bessern. Immerhin: Inzwischen sind sechs Länder soweit, dass sie das Ergebnis der Bewertung der eingangs erwähnten Betteltour gar nicht abwarten. Bayern, NRW, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-.Vorpommern und Brandenburg sagen Nein zu einer Erhöhung der GEZ. Richtig so. Das ist nur deshalb so, weil die AfD den anderen Parteien in Umfragen im Nacken sitzt. Bayern und Brandenburg etwa wählen 2023 und 2024. Berlin hat 2023 abermals gewählt. Kurz zuvor ließ mir Franziska Giffey am 11. Januar im Medienausschuss durch ihre Staatssekretärin ausrichten, der Senat sei gegen eine Gebührenerhöhung. Nachfrage von mir: „Gilt das auch nach der Wahl?“ Antwort der Staatssekretärin: „Ja.“
Doch der neue Regierende Bürgermeister scheint sich daran nicht gebunden zu sehen. Er hat jedenfalls bislang nicht durchblicken lassen, dass Berlin – trotzt des RBB-Skandals – für finanzielle Solidität beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk eintrete. So werden vielleicht noch weitere Ministerpräsidenten wieder umfallen. Und doch zeigt sich, dass mehr Länder denn je Probleme mit der unkritischen Beitragserhöhung nach dem Gusto der Sender haben. Wann, wenn nicht jetzt, ist der Zeitpunkt, die Erhöhung zu stoppen und den Zwangsbeitragszahlern entgegenzukommen?